Margaret Mitchell
ein
paar sinnlose Handbewegungen dazu. Der verwegene Gedanke ging ihm. durch den
Kopf, daß er sie an sich ziehen und streicheln sollte, aber das hatte er noch
nie bei einer Frau getan, und er wußte nicht, wie er es anfangen sollte.
Scarlett O'Hara, die schöne, hochmütige Scarlett, weinte hier in seinem Wagen.
Scarlett O'Hara, die Stolzeste der Stolzen, versuchte den Yankees Handarbeiten
zu verkaufen! Ihm brannte das Herz.
Sie
schluchzte weiter und sagte hin und wieder ein paar Worte. Er entnahm daraus,
daß es auf Tara nicht zum besten stand. Mr. O'Hara war noch ganz und gar nicht wieder
er selbst, und sie hatte für die vielen hungrigen Münder nicht genug zu essen.
Daher hatte sie nach Atlanta kommen und versuchen müssen, etwas zu verdienen.
Frank schlug wieder mit der Zunge und entdeckte plötzlich, daß ihr Kopf an
seiner Schulter lag. Wie er dahin gekommen war, war ihm nicht ganz klar. Er
hatte ihn sicher nicht dahin gelegt, aber nun war er da. Scarlett schluchzte
hilflos an seiner mageren Brust, ein aufregendes, noch nie dagewesenes
Erlebnis. Schüchtern streichelte er ihr über die Schultern, zuerst zaghaft, und
als sie ihn nicht zurückstieß, wurde er kühn und streichelte rechtschaffen
drauflos. Ach, das süße, kleine, hilflose weibliche Ding! Und wie tapfer und
töricht, mit der Nadel Geld verdienen zu wollen! Aber mit den Yankees Geschäfte
machen - das ging zu weit.
»Ich sage
Miß Pitty nichts, aber Sie müssen mir versprechen, Miß Scarlett, daß Sie so
etwas nie wieder tun.«
Ihre
nassen grünen Augen suchten hilflos die seinen.
»Aber, Mr.
Kennedy, irgend etwas muß ich doch tun. Ich muß doch für meinen armen kleinen
Jungen sorgen. Es ist ja niemand da, der sich um uns kümmert.«
»Sie sind
eine tapfere kleine Frau«, redete er ihr zu. »Aber so etwas dürfen Sie nicht
tun. Ihre Familie stürbe ja vor Scham.«
»Aber was
soll ich dann tun?« Die schwimmenden Augen blickten zu ihm auf und hingen an
seinen Lippen, als sei er allwissend.
»Nun, im
Augenblick fällt mir nichts ein, aber ich will es mir durch den Kopf gehen
lassen.«
»Ach, tun
Sie das, bitte! Sie sind ja so tüchtig, Frank.«
Sie hatte
ihn noch nie beim Vornamen angeredet, aber es war ihm ein freudiger Schreck und
eine Überraschung, es zu hören. Das arme Kind war anscheinend so außer sich,
daß es sein Versehen nicht einmal bemerkte, und er hatte gütige, ritterliche
Gefühle für sie. Wenn er für Suellen O'Haras Schwester etwas tun könnte, er
täte es sicherlich. Er zog ein rot bedrucktes Kattuntaschentuch hervor und gab
es ihr. Sie trocknete sich die Tränen, und um ihren Mund schimmerte ein
Lächeln.
»Ich bin
ein so dummes Gänschen«, entschuldigte sie sich, »bitte, verzeihen Sie.«
»Sie sind
gar kein dummes Gänschen, sondern eine tapfere kleine Frau, und schleppen sich
mit einer Last, die für Sie zu schwer ist. Miß Pitty ist Ihnen, fürchte ich,
keine Hilfe dabei. Sie hat den größten Teil ihres Vermögens verloren, und auch
Mr. Henry ist schlimm daran. Hätte ich doch ein Heim, in dem ich Ihnen Schutz
bieten könnte! Aber, Miß Scarlett, wenn Suellen und ich verheiratet sind, haben
wir immer Platz für Sie und für Wade.«
Nun kam
der große Augenblick! Der Himmel schickte ihr diese Gelegenheit. Sie brachte
ein erschrockenes, verlegenes Gesicht zustande, öffnete den Mund, als wollte
sie rasch etwas sagen, und klappte ihn wieder zu.
»Als ob
Sie nicht wüßten, daß ich diesen Frühling Ihr Schwager werden soll«, spaßte er
nervös, und als er Tränen in ihren Augen sah, fragte er erschrocken: »Was ist
los? Miß Sue ist doch nicht krank?«
»Ach nein,
nein!«
»Ist etwas
nicht in Ordnung? Sie müssen es mir sagen.«
»Ach, das
kann ich ja nicht. Das habe ich nicht gewußt. Ich war ganz sicher, sie hätte es
Ihnen geschrieben. Oh, wie gemein!«
»Miß
Scarlett, was ist geschehen?«
»Ach,
Frank, ich wollte es ja nicht verraten, aber ich dachte selbstverständlich, Sie
wüßten es ... sie hätte es Ihnen geschrieben.«
»Was geschrieben!«
Er zitterte am ganzen Leibe.
»Ach,
einem so guten Mann wie Ihnen so etwas anzutun!«
»Was hat
sie getan?«
»Sie hat
es Ihnen nicht geschrieben? Ach, sie hat sich wohl geschämt, es zu schreiben.
Sie sollte sich auch schämen. Ach, so eine gemeine Schwester!«
Jetzt war
Frank soweit, daß er nicht einmal mehr eine Frage über die Lippen brachte. Mit
grauem Gesicht starrte er sie an. Die Zügel lagen schlaff in seiner Hand.
»Nächsten
Monat heiratet
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