Margaret Mitchell
sie Tony Fontaine. Ach, Sie tun mir ja so leid, Frank. Daß
gerade ich Ihnen das erzählen muß! Sie hatte keine Lust mehr zu warten, und
fürchtete sich davor, eine alte Jungfer zu werden.«
Mammy
stand vor der Haustür, als Frank Scarlett aus dem Wagen half. Anscheinend stand
sie schon lange dort, denn ihr Kopftuch war feucht, und der alte Schal, den sie
sich fest um die Schultern zog, zeigte Regenspuren. Ihr runzliges schwarzes
Gesicht war ein Bild von Zorn und Besorgnis zugleich. Ihre Unterlippe war so
weit vorgeschoben, wie Scarlett es noch nie gesehen hatte.
Sie warf
einen raschen Blick auf Frank, und als sie ihn erkannte, sah ihr Gesicht
plötzlich ganz anders aus - Freude, Verwunderung und beinahe etwas wie
Schuldbewußtsein kamen darin zum Vorschein. Mit lebhaften Begrüßungsworten watschelte
sie Frank entgegen und grinste und knickste, als er ihr die Hand gab.
»Ach, das
tut gut, jemanden von zu Hause zu sehen. Wie geht es Ihnen, Mr. Kennedy? Sie
sehen aber fein und großartig aus! Hätte ich gewußt, daß Miß Scarlett mit Ihnen
aus war, dann hätte ich mich nicht so geängstigt und hätte gewußt, daß sie gut
aufgehoben ist. Ich komme nach Hause, da ist sie weg, und ich bin ganz außer
mir und verliere den Kopf und meine, sie rennt ganz allein in der Stadt herum,
noch dazu bei all dem freigelassenen Niggerpack, das in den Straßen
herumlungert. Warum hast du mir das nicht gesagt, daß du ausgehst, Püppchen, du
mit deiner Erkältung?«
Scarlett
blinzelte Frank verstohlen zu, und bei all seinem Kummer lächelte er doch, als
ihr Blick ihm Schweigen auferlegte und ihn so in einer kleinen Verschwörung zum
Mitwisser machte.
»Lauf und
hol mir trockenes Zeug, Mammy«, sagte sie, »und heißen Tee.«
»Herrjemine,
dein neues Kleid ist hin«, knurrte Mammy. »Das wird aber schwer sein, bis ich
es getrocknet und gebürstet habe, daß du es heute abend zur Hochzeit anziehen
kannst.«
Sie ging
hinein. Scarlett lehnte sich dicht zu Frank hinüber und flüsterte:
»Kommen
Sie doch zum Abendessen, wir sind so allein. Wir gehen nachher zur Hochzeit,
kommen Sie doch mit! Und sagen Sie bitte Tante Pitty nichts von Suellen. Es
würde ihr solchen Kummer machen, und mir ist es unerträglich, daß meine
Schwester ...«
»Nein,
ganz gewiß nicht«, sagte Frank hastig und verlegen.
»Sie sind
heute so lieb zu mir gewesen und haben mir so wohlgetan. Jetzt habe ich richtig
wieder etwas Mut.« Sie drückte ihm die Hand zärtlich zum Abschied und richtete
das volle Geschütz ihrer Augen auf ihn.
Mammy, die
gleich hinter der Tür wartete, sah sie mit einem forschenden Blick an und
folgte ihr keuchend die Treppe hinauf ins Schlafzimmer. Schweigend zog sie ihr
die nassen Kleider aus und hängte sie über die Stühle. Schweigend steckte sie
Scarlett ins Bett. Als sie ihr eine Tasse heißen Tee und einen heißen
Ziegelstein in Flanell heraufbrachte, blickte sie zu ihr hernieder und sagte -
noch nie war etwas aus Mammys Munde einer Bitte um Entschuldigung so
nahegekommen - »Lämmchen, warum hast du deiner Mammy nicht gesagt, was du
vorhaltest, dann hätte ich nicht den ganzen Weg nach Atlanta mitgebraucht. Für
solches Gelaufe bin ich zu alt und zu dick.«
»Was soll
das heißen?«
»Püppchen,
mir machst du nichts vor, ich kenne dich, und ich habe eben Master Kennedys
Gesicht gesehen und dein Gesicht. Und dein Gesicht kann ich lesen wie der
Pfarrer die Bibel, und ich habe dich auch mit ihm über Miß Suellen tuscheln
hören, und wenn ich eine Ahnung gehabt hätte, daß du hinter Master Kennedy her
bist, wäre ich zu Hause geblieben, wo ich hingehöre.«
»Nun«,
sagte Scarlett kurz, kuschelte sich unter die Decke und gab sich darein, daß
Mammy von der Spur nicht abzubringen war. »Was dachtest du denn?«
»Kind,
gestern hat mir dein Gesicht nicht gefallen, und mir fiel ein, Miß Pitty hatte
an Miß Melly geschrieben, daß dieser Schuft von Butler furchtbar viel Geld hat,
und was ich höre, vergesse ich nicht. Aber Master Frank, das ist ein Gentleman,
auch wenn er nicht so hübsch aussieht.«
Scarlett
blickte sie scharf an, und Mammy erwiderte den Blick mit gelassener
Allwissenheit.
»Was willst
du also nun tun? Bei Suellen schwatzen?«
»Ich will
dir helfen, Master Frank Kennedy Freude machen, wo ich immer kann!« Damit
stopfte Mammy Scarlett die Decke fest um den Hals herum.
Eine Weile
lag Scarlett schweigend da, während Mammy sich im Zimmer zu schaffen machte,
erleichtert, daß es zwischen ihnen keiner
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