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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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Gedächtnisses stiegen die Worte wieder auf, die Rhett in
den ersten Kriegsjahren von seinem Geld gesagt und die sie damals nicht
verstanden hatte: »Aus dem Untergang einer Kultur läßt sich ebensoviel Geld
machen wie aus dem Aufbau einer neuen.« Diesen Untergang hatte er
vorausgesehen, und er hatte recht. Noch jetzt konnte man viel Geld machen, wenn
man keine Angst hatte zu arbeiten oder zuzugreifen.
    Mit einem
Glase Brombeerwein in der einen und einem Stück Kuchen auf einer Untertasse in
der anderen Hand kam Frank auf sie zu, und sie zwang sich zu einem Lächeln. Auf
die Frage, ob Tara eine Heirat mit Frank lohnte, verfiel sie nicht mehr. Sie
wußte, daß es lohnte, und weitere Gedanken verschwendete sie nicht daran.
    Sie
lächelte zu ihm empor, als sie an dem Wein nippte, und wußte, daß ihre Wangen
ein schöneres Rot aufwiesen als die der Tänzer. Sie raffte den Rock zusammen,
um Frank neben sich Platz zu machen, und wedelte lässig mit dem Taschentuch,
damit ihm der Duft des Kölnischen Wassers in die Nase dränge. Sie war sehr
stolz darauf, denn niemand sonst im Zimmer hatte Parfüm, und Frank hatte es
bemerkt. In einem Anfall von Kühnheit hatte er ihr zugeflüstert, sie sei so
rosig und dufte so süß wie eine Rose.
    Wäre er
nur nicht so schüchtern! Er erinnerte sie an ein scheues altes Feldkaninchen.
Hätte er nur etwas von der glühenden Leidenschaftlichkeit der Tarletonschen
Jungens oder etwas von Rhett Butlers grober Unverfrorenheit! Dann freilich
besäße er auch den Spürsinn, die Verzweiflung zu wittern, die unmittelbar
hinter ihren züchtig auf und nieder schlagenden Lidern lauerte. Aber er kannte
die Frauen so wenig, daß er nichts von dem ahnte, was in ihr vorging. Das war
ihr Glück, aber ihre Achtung vor ihm wuchs dabei nicht.
    Vierzehn
Tage darauf heiratete sie Frank Kennedy, nachdem er ihr so stürmisch den Hof
gemacht hatte, daß sie ihm errötend gestand, es benähme ihr den Atem und sie
vermöchte seiner Glut nicht länger zu widerstehen.
    Er wußte
nicht, daß sie in diesen zwei Wochen Nacht für Nacht zähneknirschend auf und ab
gegangen war, weil er ihre ermunternden Winke gar zu langsam begriff, und daß
sie gebetet hatte, kein Brief von Suellen möge ihn zur Unzeit erreichen und
ihre Pläne durchkreuzen. Sie dankte Gott dafür, daß ihre Schwester eine so
nachlässige Briefschreiberin war, die zwar von Herzen gern einen Brief bekam,
ihn aber nur sehr ungern beantwortete. Die Möglichkeit jedoch, daß sie es
gerade jetzt einmal tat, drohte bis zur letzten Minute ... bis zur letzten
Minute, und damit quälte sie sich in den langen Nachtstunden, während sie auf
dem kahlen Fußboden ihres Schlafzimmers, Ellens verblichenen Schal über dem
Nachthemd fest um die Schultern gewickelt, auf und ab wanderte. Frank wußte
nicht, daß sie einen wortkargen Brief von Will bekommen hatte, in welchem
stand, Jonas Wilkerson sei zum zweitenmal auf Tara erschienen, und als er von
Scarletts Reise nach Atlanta erfahren habe, sei er so unverschämt geworden, daß
Ashley und Will ihn mit Gewalt hätten hinauswerfen müssen. Wills Brief hämmerte
ihr nochmals ein, was sie nur allzugut wußte: daß die Zeit immer kürzer wurde,
bis der Steuerzuschlag fällig wurde. Eine ingrimmige Verzweiflung trieb sie
vorwärts, indes die Tage dahinflogen. Am liebsten hätte sie das Stundenglas
selbst in die Hand genommen und den Sand zurückgehalten, daß er nicht
hinabrinne.
    Aber sie
verbarg ihre Gefühle so geschickt und spielte ihre Rolle so vortrefflich, daß
Frank keinen Verdacht schöpfte und nichts anderes sah als das, was sie ihm
vorspielte - die hübsche, hilflose junge Witwe Charles Hamiltons, die ihn Abend
für Abend in Miß Pittys Salon begrüßte und in atemloser Bewunderung zuhörte,
wenn er von seinen Zukunftsplänen erzählte. Ihr herzliches Mitgefühl und ihre
lebhafte Anteilnahme an allem, was er äußerte, waren Balsam auf die Wunde, die
Suellens vermeintliche Untreue ihm geschlagen hatte. Eine schmerzliche
Betroffenheit über das Verhalten seiner Verlobten erfüllte sein Herz, und tief
verwundet war seine Eitelkeit, die scheue, empfindliche Eitelkeit eines
alternden Junggesellen, der weiß, daß er nichts Anziehendes für Frauen hat. Der
Gedanke, an Suellen zu schreiben und ihr Vorwürfe zu machen, war ihm
schrecklich. Aber er konnte sein Herz dadurch erleichtern, daß er mit Scarlett
über sie sprach. Ohne sich unschwesterlich über Suellen zu äußern, konnte sie
ihm doch sagen, wie gut sie

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