Margaret Mitchell
Glückwunsch. Sie
wußte, er hatte sie verstanden und zollte ihr weder Lob noch Tadel. Aber was
wohl Ashley dachte, fragte sie sich fieberhaft. »Was muß er jetzt von mir
halten, nach alledem, was ich ihm vor so kurzer Zeit im Obstgarten auf Tara
gesagt habe?«
Sie bekam
auch einen Brief von Suellen in mangelhafter Orthographie voll wilder
Schmähungen, von Tränen verwischt, so giftig und so wahr in dem Urteil über
ihren Charakter, daß sie ihn nie vergaß und der Schreiberin nie verzieh. Aber
Suellens Worte konnten ihre Freude darüber nicht trüben, daß Tara nun
wenigstens aus der unmittelbaren Gefahr gerettet war.
Es ging
ihr nicht leicht ein, daß jetzt Atlanta und nicht mehr Tara ihr ständiger
Wohnsitz war. In ihrem verzweifelten Bestreben, das Geld aufzutreiben, hatte
einzig und allein der Gedanke an Tara und das ihm drohende Schicksal in ihr
Platz gehabt. Noch bei ihrer Hochzeit hatte sie mit keinem Gedanken daran
gedacht, daß sie die Sicherheit ihrer Heimat mit der eigenen dauernden
Verbannung bezahle. Nun war es geschehen, und nun kam ihr die Erkenntnis und
damit ein Heimweh, das schwer zu überwinden war. Aber sie wollte die Folgen
ihres Tuns auch tragen. Sie war Frank so dankbar dafür, daß er Tara gerettet
hatte, daß sie eine warme Zuneigung für ihn fühlte und von Herzen den Vorsatz
gefaßt hatte, es solle ihn nie gereuen, sie geheiratet zu haben.
Die Damen
von Atlanta kannten die Angelegenheiten ihrer Nachbarn kaum weniger als die
eigenen und fanden sie viel interessanter. Man wußte allgemein, daß Frank
Kennedy und Suellen O'Hara seit langem miteinander einig waren. Er hatte schon
geäußert, er habe die Absicht, im Frühling zu heiraten. Es war also nicht zu
verwundern, daß auf die Nachricht, er habe in der Stille Scarlett geheiratet,
ein Sturm von Klatsch und Mutmaßungen folgte. Mrs. Merriwether, die immer dafür
sorgte, daß ihre Neugier nicht lange unbefriedigt blieb, fragte ihn auf den
Kopf zu, was er sich dabei denke, die eine Schwester zu heiraten, wenn er mit
der andern verlobt sei. Als einzige Antwort, berichtete sie Mrs. Elsing, habe
er sie nur dumm angesehen. Aber nicht einmal die beherzte Mrs. Merriwether
wagte es, Scarlett auf die Sache anzureden. Zwar machte sie in diesen Tagen
einen ehrbaren und lieben Eindruck, aber in ihren Augen war eine Genugtuung zu
lesen, die die anderen ärgerte und die doch niemand zu stören wagte.
Sie wußte,
daß Atlanta über sie herzog, aber sie kehrte sich nicht daran, Tara war
gerettet, und nun mochten die Leute reden. Sie hatte zuviel anderes im Kopf.
Das wichtigste war nun, Frank schonend beizubringen, daß sein Laden mehr
abwerfen müßte. Nach dem Schreck, den Jonas Wilkerson ihr eingejagt hatte, fand
sie keine Ruhe mehr, solange sie und Frank nicht einiges Geld liegen hatten.
Aber auch, wenn kein Notfall eintrat, mußte Frank mehr Geld verdienen, damit
sie genug für die Steuern des nächsten Jahres zurücklegen konnte. Außerdem ließ
sie nicht los, was Frank über die Sägemühle gesagt hatte. Eine Mühle mußte viel
einbringen, da unerhörte Preise für Holz bezahlt wurden, und es wurmte sie, daß
Franks Geld nicht für die Steuern und den Kauf der Mühle obendrein ausgereicht
hatte. Sie beschloß, daß der Laden unter allen Umständen mehr Geld abwerfen
müsse, und das schleunigst, damit Frank die Mühle kaufen konnte, ehe ein
anderer sie ihm wegschnappte.
Wäre sie
ein Mann, so wollte sie die Mühle schon bekommen. Könnten sie nicht eine
Hypothek auf den Laden aufnehmen, um das Geld flüssig zu machen? Aber als sie
am Tage nach ihrer Hochzeit behutsam damit herausrückte, lächelte Frank nur und
empfahl ihr, sich das hübsche Köpfchen nicht mit Geschäften zu beschweren. Es
überraschte ihn, daß sie überhaupt wußte, was eine Hypothek war, und im ersten
Augenblick belustigte es ihn. Aber seine Lustigkeit verging ihm rasch, und in
den ersten Tagen seiner Ehe erschrak er nicht wenig. Einmal hatte
er ihr unvorsichtigerweise erzählt, gewisse Leute (er hütete sich, Namen zu
nennen) wären ihm Geld schuldig, könnten aber im Augenblick nicht zahlen, und
es widerstrebe ihm natürlich, alte Freunde und Leute aus guter Familie zu
drängen. Er sollte bald bereuen, je davon gesprochen zu haben, denn sie kam
immer wieder darauf zurück. Mit reizendster Kindermiene erklärte sie ihm, sie
sei nur so neugierig, und er müsse ihr erzählen, wer ihm Geld schuldig sei und
wieviel. Frank aber hatte immer Ausflüchte,
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