Margaret Mitchell
nutzen die Leute aus.
Hätte er nur die Hälfte dieses Geldes eingetrieben, er hätte die Sägemühle
kaufen können und dabei noch das Geld für meine Steuern übrig gehabt.«
Weiter
dachte sie: »Nun aber stelle man sich Frank vor, wenn er eine Sägemühle
betreibt! Heiliger Strohsack! Wenn er schon den Laden wie eine wohltätige
Stiftung aufzieht, wie will er dann mit einer Sägemühle Geld verdienen? Die
käme ja binnen einem Monat zur Zwangsversteigerung. Wahrhaftig, ich könnte den
Laden besser führen als er, und die Sägemühle auch, wenn ich auch nichts vom
Holzhandel verstehe.«
Ein
verblüffender Gedanke, daß eine Frau ebenso gut oder besser als ein Mann
Geschäfte machen konnte. Ein umstürzender Gedanke für Scarlett, die in der
herkömmlichen Auffassung erzogen war, daß die Männer allwissend und die Frauen
unwissend seien. Natürlich war sie längst dahintergekommen, daß es nicht ganz
so war, aber ihr Geist hing immer noch an der so angenehmen Vorstellung. Noch
nie hatte sie diesen außerordentlichen Gedanken in Worte gefaßt. Ganz still saß
sie da, mit dem schweren Buch auf ihrem Schoß, den Mund vor Überraschung ein
klein wenig geöffnet, und überlegte sich, daß sie ja auch auf Tara in den
Elendsmonaten Männerarbeit, und zwar gute, getan hatte. Sie hatte ohne
männliche Hilfe die Plantage bewirtschaftet, bis Will kam. Mit dieser
Erkenntnis wallte der Stolz mächtig in ihr auf. Ein heftiges Verlangen trieb
sie, selber Geld zu machen wie die Männer, Geld, das ihr gehörte, um das sie
keinen Mann zu bitten brauchte und für das sie niemandem Rechenschaft schuldig
war. »Hätte ich nur Geld genug, die Mühle selber zu kaufen!« sagte sie laut vor
sich hin und seufzte: »Die sollte aber summen! Und keinen Span gäbe ich auf
Kredit weg.«
Sie
seufzte noch einmal. Geld konnte sie nirgends bekommen, es kam also nicht in
Betracht. Frank mußte einfach die Schulden einziehen und die Mühle kaufen. Wenn
er sie erst hatte, würde sich schon ein Weg finden, sie geschickter zu
betreiben als den Laden. Sie riß hinten aus dem Buch eine Seite heraus und
begann die Liste der Schuldner aufzuschreiben, die seit mehreren Monaten keine
Zahlung mehr geleistet hatten. Dies mußte sie mit Frank besprechen, sobald sie
nach Hause kam. Sie mußte ihm begreiflich machen, daß auch alte Freunde
Rechnungen zu bezahlen hatten, selbst wenn es peinliche Mahnungen kostete.
Frank geriet dann wahrscheinlich außer sich. Er war so schüchtern, daß er lieber
das Geld verloren gab, als es auf geschäftlichem Wege einzutreiben.
Wahrscheinlich würde er sagen, es habe ja niemand Geld zum Bezahlen flüssig.
Das mochte stimmen. Armut war ihr wahrhaftig nichts Neues. Aber fast jeder
hatte etwas Silber und einigen Schmuck beiseite gelegt und besaß noch ein wenig
Grundbesitz. Daran konnte Frank sich schadlos halten, wenn es an Barmitteln
fehlte.
Sie hörte
ihn im Geist schon stöhnen, wenn sie mit solchen Vorschlägen käme. Seinen
Freunden Schmuck und Landbesitz fortnehmen! Aber es mußte sein.
Sie war
emsig mit Schreiben beschäftigt, das Gesicht ganz kraus vor Eifer, die Zunge
zwischen den Zähnen, als die Tür aufging und ein eiskalter Zugwind durch den
Laden fegte. Ein großer Mann trat in den dunklen Raum und kam leichten
Schrittes, wie ein Indianer, näher. Sie blickte auf. Es war Rhett Butler.
Er
strahlte in einem neuen Anzug und einem Mantel mit elegantem Cape, das ihm über
die breiten Schultern herabhing. Den Zylinder nahm er mit einer tiefen
Verbeugung ab, als ihre Augen seinem Blick begegneten. Die Hand legte er an die
fleckenlose, gefältelte Hemdbrust, die weißen Zähne blitzten grell in seinem
braunen Gesicht, die dreisten Augen maßen sie von oben bis unten.
»Meine
liebe Mrs. Kennedy«, sagte er und ging auf sie zu. »Meine liebe, liebe Mrs.
Kennedy!« Dann brach er in ein schallendes Gelächter aus.
Zuerst
erschrak sie so heftig, als wäre ein Gespenst in den Laden eingedrungen, dann
zog sie hastig ihren Fuß unter dem Oberschenkel hervor, setzte sich aufrecht
und blickte ihn kalt an.
»Was
wollen Sie hier?«
»Ich habe
Miß Pitty besucht und von Ihrer Heirat gehört, und nun komme ich eilends her,
um Ihnen Glück zu wünschen.«
Bei der
Erinnerung daran, wie er sie gedemütigt hatte, wurde sie schamrot. »Woher
nehmen Sie die Dreistigkeit, mir ins Gesicht zu sehen?« fuhr sie los.
»Umgekehrt!
Woher nehmen Sie die Dreistigkeit, mir ins Gesicht zu sehen?«
»Oh, Sie
sind der ärgste ...«
»Wollen
wir
Weitere Kostenlose Bücher