Margaret Mitchell
mir noch eines, und wir sind für heute damit durch, und du kannst mein Geld
bekommen und es meinetwegen in den Rinnstein werfen.« Rhett stand auf und warf
die halb aufgerauchte Zigarre in den Spucknapf. Wieder lag in seinen Bewegungen
jene Gelockertheit der Wilden und jene gebändigte Kraft, die Scarlett an dem
Abend wahrgenommen hatte, da Atlanta fiel. Es war etwas Unheimliches, fast
Beängstigendes. »Wenn er dich liebt, warum zum Teufel hat er dir dann erlaubt,
nach Atlanta zu gehen und nach Geld für die Steuern zu suchen? Ehe ich eine
Frau, die ich liebe, das tun ließe, würde ich ... «
»Er wußte
nichts davon!«
»Ist es
dir nie in den Sinn gekommen, daß er es hätte wissen müssen?« Das klang nach
kaum noch unterdrückter Wildheit. »Wenn er dich so liebt, wie du behauptest,
hätte er wissen müssen, wessen du in der Verzweiflung fähig bist. Er hätte dich
lieber umbringen müssen als dich hierher reisen lassen. Und nun gar zu mir!
Herrgott im Himmel!«
»Aber er
wußte es nicht!«
»Wenn er
es nicht erriet, ohne daß du es ihm sagtest, weiß er überhaupt nichts von dir
und deinem kostbaren Geist.«
Wie
ungerecht er war! Als ob Ashley ein Gedankenleser wäre! Und als ob er sie hätte
halten können, auch wenn er es gewußt hätte! Doch plötzlich ging ihr auf, daß
Ashley sie in der Tat hätte zurückhalten können. Hätte er ihr damals im
Obstgarten die leiseste Andeutung gemacht, daß es zwischen ihnen eines Tages
anders werden könnte, dann hätte sie nie daran gedacht, zu Rhett zu gehen. Ein
Wort der Zärtlichkeit, nur eine Liebkosung zum Abschied, als sie in den Zug
stieg, hätte sie zurückgehalten. Aber er hatte nur von der Ehre gesprochen.
Oder ... sollte Rhett doch recht haben? Hatte Ashley gewußt, was sie vorhatte?
Rasch wies sie den häßlichen Gedanken von sich. Ashley würde nie auf den
Verdacht kommen, daß sie etwas so Unmoralisches auch nur in Betracht ziehen
könnte. Dazu war er zu vornehm. Rhett wollte ihr nur ihre Liebe zerstören,
wollte erniedrigen, was ihr das Wertvollste war.
Eines
Tages, dachte sie böse, wenn erst der Laden wieder flott war, die Mühle gut
ging und sie Geld besaß, dann sollte Rhett Butler für alles, was er ihr jetzt
an Schmach und Schimpf antat, büßen.
Er stand
vor ihr und schaute leise belustigt auf sie herab. Seine Erregung war vorüber.
»Was liegt
Ihnen denn überhaupt an alledem?« fragte sie. »Das ist meine und Ashleys Sache
und nicht Ihre.«
Er zuckte
die Achseln. »Nur dies eine. Ich habe eine tiefe, sachliche Bewunderung dafür,
was du alles aushalten kannst, Scarlett. Ich möchte deinen Mut nicht zwischen
allzu vielen Mühlsteinen zerrieben sehen. Zuerst Tara, das allein erfordert
schon einen ganzen Mann. Dazu kommt dein kranker Vater. Er kann dir nie eine
Hilfe sein. Dann die Mädchen und die Schwarzen, und nun hast du noch einen
Ehemann auf dich genommen und womöglich auch noch Miß Pittypat. Du hast genug
zu tragen, auch ohne daß du Ashley Wilkes und seine Familie auf dem Halse
hast.«
»Ich habe
ihn nicht auf dem Halse, er hilft mir ... «
»Um Gottes
willen«, er wurde ungeduldig, »schweig davon. Er ist keine Hilfe, du hast ihn
auf dem Halse, du oder jemand anders, bis er stirbt. Plötzlich habe ich es
jetzt satt, von ihm zu reden. Wieviel Geld willst du haben?«
Schimpfworte
drängten sich ihr auf die Lippen. Nach all den Kränkungen, die er ihr angetan
hatte, glaubte er noch, sie würde sein Geld annehmen. Aber sie sprach die Worte
nicht aus. Wie wunderbar wäre es, seine Hilfe verschmähen und ihm die Tür
weisen zu dürfen! Aber solchen Luxus konnten sich nur die Reichen, Gesicherten
leisten. Solange sie arm war, mußte sie solche Auftritte über sich ergehen
lassen. Aber länger auch nicht! War sie reich - ach, welch herzerwärmender
Gedanke! - , dann brauchte sie nicht mehr hinzunehmen, was ihr zuwider war,
nicht mehr zu entbehren, was sie sich wünschte, dann brauchte sie nur mit den
Menschen höflich zu sein, die ihr gefielen. Dann schickte sie alle anderen zum
Teufel und Rhett Butler zuerst. Sie lächelte fast.
Rhett
lächelte auch.
»Du bist
eine hübsche Frau, Scarlett, hauptsächlich wenn du dir eine Teufelei ausdenkst.
Und wenn du mir nur deine Grübchen zeigst, kaufe ich dir ein ganzes Dutzend
Maultiere, falls du sie brauchen kannst.«
Die
Ladentür öffnete sich, und der junge Gehilfe, der mit einem Federkiel sich in
den Zähnen stocherte, erschien. Scarlett stand auf, sie hatte ihren Entschluß
gefaßt,
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