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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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welcher Art Die früheren
Sklaven waren jetzt die Herren, und mit Hilfe der Sieger standen die
Niedrigsten und Unwissendsten obenan. Die Besseren von ihnen, die die
Freilassung verschmähten, hatten ebenso schwer zu leiden wie ihre weißen
Herren. Die Haussklaven, der höherstehende Teil der schwarzen Bevölkerung,
blieben zu Tausenden bei ihren weißen Herrschaften und taten schwere Arbeit,
die in früheren Zeiten unter ihrer Würde gewesen war. Auch viele treue Ackerknechte
weigerten sich, von dieser Freiheit Gebrauch zu machen, doch stammten die
schlimmsten Unruhestifter in den Horden der Freigelassenen zum großen Teil aus
der Klasse der Feldsklaven.
    In den
Zeiten der Sklaverei waren diese niedrigen Schwarzen von den Haus- und
Hofnegern als minderwertige Geschöpfe verachtet worden. Wie Ellen hatten auch
andere Plantagenbesitzerinnen im ganzen Süden die Negerkinder eine regelrechte
Erziehung durchmachen lassen und dabei die besten für die verantwortlichen
Stellen ausgesondert. Wer auf den Acker gewiesen wurde, hatte zu den
Unfähigsten, Trägsten, Unzuverlässigsten oder auch Unehrlichsten gehört, und
nun machte diese niedrigste Klasse der schwarzen Gesellschaft dem Süden das
Leben zur Qual.
    Mit Hilfe
der gewissenlosen Abenteurer, die in der Freilassungsbehörde saßen, und
unterstützt durch den Haß der Nordstaaten, der in seinem Fanatismus fast etwas
Religiöses hatte, fanden sich die früheren Ackerknechte plötzlich im Besitz der
Macht. Sie benahmen sich dabei so, wie es von Köpfen niedrigsten Verstandes zu
erwarten war. Gleich Affen und kleinen Kindern, die man auf Kostbarkeiten
losläßt, von deren Wert sie keinen Begriff hatten, kamen sie außer Rand und
Band, sei es aus viehischer Zerstörungswut, sei es einfach aus Unwissenheit.
    Zur Ehre
der Neger, auch der einfältigsten, konnte immer wieder beobachtet werden, daß
nur wenige aus Bosheit handelten, und diese hatten schon in den Tagen der
Sklaverei zum Abschaum gehört. Als Menschenklasse waren sie kindlichen Gemüts,
leicht lenkbar und aus langer Übung gewohnt zu gehorchen. Früher hatten ihre
weißen Besitzer ihnen befohlen; jetzt hatten sie eine neue Klasse von Herren,
die Behörde und die Schieber, und deren Befehl lautete: »Ihr seid so gut wie
jeder Weiße, also handelt danach. Sobald ihr den Wahlzettel für die
Republikaner abgeben könnt, bekommt ihr das Eigentum der Weißen. Es ist so gut,
als hättet ihr es schon. Nehmt es, wenn ihr wollt.«
    Geblendet
von solchen Märchen, erblickten sie in der neuen Freiheit ein unaufhörliches
Fest, ein tägliches Gelage, einen Karneval der Faulheit, der Dieberei und der
Frechheit. Vom Lande strömten sie in Scharen in die Stadt, und in den
ländlichen Bezirken lag die Feldarbeit danieder. Schon wimmelte es in Atlanta
von ihnen, und noch immer kamen sie zu Hunderten herbei, faul und gefährlich
infolge der neuen Lehre, die ihnen beigebracht wurde. In den schmutzigen
Hütten, in denen sie zusammengepfercht hausten, brachen Blattern, Typhus und
Tuberkulose aus. In früheren Zeiten waren sie gewohnt gewesen, in
Krankheitsfällen von ihrer Herrin gepflegt zu werden; jetzt wußten sie sich
nicht zu helfen. Früher hatten sie die Fürsorge für ihre Alten und Kleinen
ihren Besitzern überlassen, jetzt fühlten sie sich für ihre Hilfsbedürftigen
nicht verantwortlich. Die Freilassungsbehörde aber steckte viel zu tief in der
Politik, um einzuspringen, wo früher die Plantagenbesitzer für sie gesorgt
hatten.
    Verlassene
Negerkinder liefen wie scheue Tiere durch die Stadt, bis gutherzige Weiße sie in
ihrer Küche aufnahmen und großzogen. Schwarze Greise saßen einsam, ratlos und
verängstigt mitten im städtischen Getriebe auf dem Bordstein und flehten die
vorübergehenden Damen an: »Missis, bitte Missis, schreiben Sie an meinen alten
Herrn, daß ich hier bin. Dann kommt er und holt seinen alten Nigger wieder. O
Jesus, Jesus, ich habe genug von der Freiheit!«
    Als die
Freilassungsbehörde erkannte, was sie angerichtet hatte, versuchte sie, die
Schwarzen zu ihren früheren Eigentümern zurückzuschicken. Ihnen wurde gesagt,
wenn sie zurückkehrten, so täten sie es als freie Arbeiter, für die in einem
geschriebenen Vertrag der Tagelohn festgelegt werde. Die Älteren kehrten
daraufhin zu den Plantagen zurück und lagen den verarmten Pflanzern, die nicht
das Herz hatten, sie abzuweisen, mehr als je zur Last. Aber die Jüngeren
blieben in Atlanta. Sie wollten überhaupt nicht mehr arbeiten. Wozu

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