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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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Scarlett, ich mache
es Ihnen nicht zum Vorwurf. So sind Sie nun einmal. Was in anderen Köpfen
vorgeht, hat Sie nie sonderlich interessiert. Was ich Ihnen nun erklären
möchte, ist, daß ich Miß Carreen nie gefragt habe, weil ich wußte, es hätte
doch keinen Zweck. Sie ist wie eine kleine Schwester zu mir gewesen und spricht
auch wohl mit mir offener als mit jemandem sonst. Aber über den toten
Tarletonjungen kommt sie nun einmal nicht hinweg, und ich kann Ihnen auch
ebensogut jetzt gleich sagen, daß sie nach Charleston in ein Kloster will.«
    »Sie
machen wohl Spaß?«
    »Ich
wußte, daß es Sie erschrecken würde, und wollte Sie nur darum bitten, Scarlett,
suchen Sie sie nicht davon abzubringen, schelten Sie nicht mit ihr und lachen
Sie sie nicht aus. Lassen Sie sie gewähren, es ist ihr einziger Wunsch. Ihr
Herz ist gebrochen.«
    »Ja, du
meine Güte! Viele haben ein gebrochenes Herz und laufen deshalb noch nicht
gleich ins Kloster. Sehen Sie mich an, ich habe meinen Mann verloren ... «
    »Aber das
hat Ihnen nicht das Herz gebrochen«, sagte Will ruhig, zupfte einen Strohhalm
vom Wagen, steckte ihn in den Mund und kaute bedächtig daran. Wie immer, wenn
jemand ihr die volle Wahrheit sagte, war sie bei der ihr angeborenen
Ehrlichkeit entwaffnet. Einen Augenblick schwieg sie und suchte sich an die
Vorstellung, daß Carreen eine Nonne werden sollte, zu gewöhnen.
    »Versprechen
Sie mir, sie in Ruhe zu lassen.«
    »Nun ja,
ich verspreche es.« Sie sah Will mit einigem Staunen und mit einem ganz neuen
Verständnis an. Er hatte Carreen geliebt und liebte sie noch so sehr, daß er
für sie eintrat und ihr den Abschied von der Welt zu erleichtern suchte. Und
trotzdem wollte er Suellen heiraten.
    »Aber was
ist denn nun eigentlich mit Suellen? Sie lieben sie doch nicht? Oder etwa
doch?«
    »O ja, in
gewisser Hinsicht schon.« Er nahm den Strohhalm aus dem Mund und betrachtete
ihn nachdenklich. »Suellen ist gar nicht so schlimm, wie Sie denken, Scarlett.
Ich glaube, wir kommen recht gut miteinander aus. Was Suellen fehlt, ist nur
ein Mann und Kinder, das, was jede Frau braucht.«
    Eine
Zeitlang rüttelte der Wagen über die ausgefahrene Straße, ohne daß einer der
beiden etwas sprach. Scarlett dachte angestrengt nach. Alledem mußte noch etwas
anderes, etwas Tieferes, Wesentlicheres zugrunde liegen, das den stillen,
sanften Will veranlaßte, die ewig unzufriedene Suellen heiraten zu wollen.
    »Sie haben
mir den wahren Grund nicht gesagt. Wenn ich das Haupt der Familie bin, so kann
ich beanspruchen, ihn zu erfahren.«
    »Sie haben
recht«, entgegnete Will, »und Sie werden mich verstehen. Ich kann Tara nicht
lassen. Es ist meine Heimat, Scarlett, die einzige wirkliche Heimat, die ich in
meinem Leben gehabt habe, und ich habe jeden Stein dort lieb. Ich habe dort
gearbeitet, als sei es mein Eigentum und wenn man von Herzen Arbeit an etwas
wendet, gewinnt man es lieb. Verstehen Sie, was ich meine?«
    Sie
verstand, was er meinte, und ihr Herz kam ihm warm entgegen, weil er das, was
ihr das Liebste war, auch liebhatte.
    »Und ich
sehe die Dinge jetzt so an: Ihr Pa ist nicht mehr da. Carreen geht ins Kloster.
Da bleiben Suellen und ich allein übrig, und ich könnte natürlich nicht auf
Tara bleiben, wenn ich Suellen nicht heirate. Sie wissen, wie die Leute reden.«
    »Aber
Will, da sind doch Melanie und Ashley ... «
    Als
Ashleys Name fiel, wandte er sich ihr zu und sah sie mit seinen blassen unergründlichen
Augen an. Wieder hatte sie das Gefühl, daß Will von ihr und Ashley alles wußte,
alles verstand und weder ja noch nein dazu sagte.
    »Sie gehen
bald fort.«
    »Fort?
Wohin? Tara ist ihnen doch auch Heimat.«
    »Nein, es
ist nicht ihre Heimat. Das ist es ja, worunter Ashley leidet. Tara ist nicht
sein Heim, und er hat dort nicht das Gefühl, sein Brot zu verdienen. Er ist nur
ein kümmerlicher Landwirt, und das weiß er auch. Weiß Gott, er tut sein Bestes,
aber er ist nicht dafür geschaffen. Wenn er Holz spaltet, so ist es der reine
Zufall, wenn ihm das Beil nicht in den Fuß geht. Er kann ebensowenig wie sein
kleiner Junge den Pflug gerade in der Furche halten, und was er alles von Zucht
und Pflege des Viehs nicht versteht, damit könnte man Bücher füllen. Es ist
nicht seine Schuld. Er ist nicht dafür geboren, und es bedrückt ihn, daß er als
Mann auf Tara von der Mildtätigkeit einer Frau lebt und es ihr nicht vergelten
kann.«
    »Mildtätigkeit?
Hat er das gesagt?«
    »Nein,
kein Wort hat er gesagt. Sie

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