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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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dahin, Gesicht und Fußgelenke waren geschwollen. Bisher hatte
sie sich wenig daraus gemacht, wie sie aussah, aber jetzt sollte sie in einer
Stunde Ashley begegnen, und da war es ihr wieder wichtig. In all ihrem tiefen
Kummer war ihr doch der Gedanke schrecklich, daß sie mit dem Kinde eines
anderen unter dem Herzen vor ihn treten sollte. Sie liebte ihn und er liebte
sie und dies unwillkommene Kind erschien ihr wie ein Beweis der Untreue gegen
ihre Liebe. Aber so peinlich es ihr auch war, daß er sie plump und schwerfällig
sehen sollte, sie konnte dem jetzt nicht entgehen.
    Ungeduldig
klopfte sie mit dem Fuß. Will hätte sie abholen sollen. Sie konnte natürlich zu
Bullard hinübergehen und nach ihm fragen oder jemand dort bitten, sie nach Tara
zu fahren, falls sich herausstellte, daß er nicht kommen konnte. Aber sie
wollte nicht zu Bullard. Es war Sonnabendabend, und vermutlich hatte sich die
Hälfte aller Männer aus der Provinz dort versammelt. In diesem
schlechtsitzenden schwarzen Kleid, das ihren Zustand eher betonte als
verhüllte, mochte sie sich nicht zeigen. Auch scheute sie die vielen Worte
herzlicher Teilnahme, mit denen sie dort sicher überschüttet wurde. Sie wollte
keine Anteilnahme, sie fürchtete in Tränen auszubrechen, sobald jemand nur
Geralds Namen nannte. Weinen aber wollte sie nicht. Wenn sie einmal damit
anfing, so wurde es sicher wie damals, als sie in die Mähne des Pferdes
hineinschluchzte, in jener grauenvollen Nacht, da Atlanta fiel und Rhett sie in
der Dunkelheit der nächtlichen Straße allein ließ. Dann kamen die entsetzlichen
Tränen, die ihr das Herz zerrissen und nicht wieder versiegten.
    Nein, sie
wollte nicht weinen! Wieder stieg es ihr in den Hals, wie schon so oft, seitdem
die Todesnachricht gekommen war. Aber Tränen halfen ja nichts, sondern
schwächten und verwirrten sie nur. Warum hatten Will oder Melanie oder die
Mädchen ihr nicht geschrieben, daß Gerald krank war? Sie wäre mit dem ersten
Zug nach Tara gefahren, um ihn zu pflegen, und hätte, wenn nötig, einen Arzt
aus Atlanta mitgebracht Es war zu dumm von ihnen! Brachten sie denn nichts ohne
sie fertig? Sie konnte doch nicht an zwei Orten zugleich sein. Sie tat weiß
Gott in Atlanta für sie alles, was sie nur konnte.
    Sie wurde
unruhig und nervös auf ihrem Faß, als Will immer noch nicht erschien. Wo
steckte er nur? Da knirschte hinter ihr der Schotter unter den Geleisen, sie
wendete sich mühsam um und sah Alex Fontaine mit einem Sack Hafer auf der
Schulter über die Schienen auf einen Leiterwagen zugehen.
    »Herrje, Scarlett,
bist du es?« rief er, setzte den Sack ab und kam herbeigelaufen, um ihr die
Hand zu geben. Sein verbittertes braunes kleines Gesicht war voller Freude.
»Wie schön, daß du da bist! Will ist beim Schmied und läßt das Pferd
beschlagen. Der Zug hatte Verspätung, da meinte er, es wäre noch Zeit genug.
Soll ich ihn holen?«
    »Ja,
bitte, Alex«, sagte sie und lächelte in all ihrer Betrübnis. Es tat so gut,
wieder ein Gesicht aus der Provinz zu sehen.
    »Ach ...
mm ... Scarlett«, begann er unbeholfen, »das mit deinem Vater tut mir aber
furchtbar leid.«
    »Danke«,
antwortete sie und wünschte, er hätte es nicht gesagt. Bei seinen Worten sah
sie Geralds blühendes Gesicht wieder deutlich vor sich und hörte seine
schallende Stimme.
    »Wir sind
hier alle mächtig stolz auf ihn, wenn dich das trösten kann,
    Scarlett«,
fuhr Alex fort und ließ ihre Hand los. »Wir finden, er ist einen richtigen
Soldatentod gestorben in einer richtigen Soldatensache.«
    Was mochte
er nur damit meinen? Soldatentod? Hatte ihn jemand erschossen? War er mit einem
der Gesinnungslumpen in Streit geraten wie Tony? Aber mehr durfte sie jetzt
nicht hören. Wenn sie von Gerald sprach, mußte sie weinen, und weinen durfte
sie nicht, ehe sie nicht glücklich bei Will im Wagen saß und aus dem Ort heraus
war, wo kein Fremder sie sah. Will störte dabei nicht, er war wie ein Bruder.
    »Alex, ich
möchte nicht davon sprechen«, sagte sie kurz.
    »Das kann
ich dir nachfühlen, Scarlett«, erwiderte Alex, und der Zorn stieg ihm dunkel
ins Gesicht. »Wenn das meine Schwester wäre, dann ... Scarlett, ich habe noch
nie hart über eine Frau gesprochen, aber nach meiner Meinung verdiente Suellen
die Peitsche.«
    Was für
ein dummes Zeug sprach er jetzt? Was hatte Suellen damit zu tun?
    »Leider
muß ich sagen, daß hier alle ebenso über sie denken wie ich. Will ist der
einzige, der für sie eintritt, und natürlich Miß

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