Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
Vom Netzwerk:
Melanie, aber die ist ja eine
Heilige und läßt auf keinen etwas kommen, und ...«
    »Ich habe
dir doch gesagt, ich wollte nicht davon sprechen«, sagte sie kalt, aber Alex
ließ sich nicht einschüchtern. Er machte ein Gesicht, als verstünde er ihre
Schroffheit, und das ärgerte sie. Sie wollte nicht von einem Außenstehenden
etwas Schlechtes über ihre Familie hören. Daß sie keine Ahnung hatte, was
geschehen war, brauchte er nicht zu wissen. Warum hatte Will ihr nicht
ausführlich über alles geschrieben?
    Wenn Alex
sie nur nicht so scharf ansehen wollte! Sie merkte, wie er ihren Zustand gewahr
wurde, und genierte sich. Was aber in Wirklichkeit Alex durch den Kopf ging,
als er sie da in der Dämmerung verstohlen betrachtete, war etwas anderes. Er
fand ihr Gesicht so völlig verändert, daß er kaum begriff, wie er sie überhaupt
erkannt hatte. Vielleicht kam es daher, daß sie ein Kind erwartete. Manche
Frauen sahen dann ganz entstellt aus. Natürlich hatte auch der Tod des alten
O'Hara sie sehr mitgenommen. Sie war seine Lieblingstochter gewesen. Aber nein,
die Veränderung ging tiefer. Sie sah eigentlich besser aus als das letztemal,
da er sie gesehen hatte. Jedenfalls so, als hätte sie jetzt täglich drei
richtige, kräftige Mahlzeiten. Ihre Augen hatten auch nicht mehr den Blick
eines gehetzten Tieres, das Verängstigte und Verzweifelte war aus ihnen
gewichen, sie waren hart geworden, Scarlett hatte etwas Herrisches,
Selbstbewußtes und Entschlossenes in ihrem Ausdruck, selbst wenn sie lächelte.
Sicherlich mußte der alte Frank gehörig nach ihrer Pfeife tanzen. Ja, sie hatte
sich verändert. Gewiß, sie war eine hübsche Frau, alles Niedliche, Weiche,
    Weibliche
jedoch hatte sich aus ihrem Gesicht verloren, und der schmeichlerische
Augenaufschlag vor Männern, der aussah, als traue sie ihnen mehr als dem lieben
Gott, war gänzlich verschwunden.
    Aber
hatten sie sich nicht alle verändert? Alex blickte an seinem groben Anzug
hinunter und machte wieder sein verbittertes Gesicht. Zuweilen, wenn er nachts
wach lag und sich den Kopf zerbrach, wie seine Mutter zu ihrer Operation und
der kleine Junge des armen toten Joe zu einer vernünftigen Erziehung und
endlich er selbst zu einem neuen Maultier gelangen sollte, wünschte er sich
wohl, es wäre immer noch Krieg und würde nie anders. Damals wußten sie gar
nicht, wie gut sie es hatten. Bei der Truppe hatten sie immer etwas zu essen,
wenn es auch nur Maisbrot war, es gab immer jemanden, der Befehle erteilte, nie
aber das quälende Gefühl, vor unlösbaren Aufgaben zu stehen. Die einzige Sorge
war gewesen, daß sie mit dem Leben davonkamen. Und dann Dimity Munroe. Alex
wollte sie heiraten und konnte es doch nicht, da er schon für so viele
aufzukommen hatte. Seit langem liebte er sie, und nun welkten die Rosen auf
ihren Wangen und die Freude in ihren Augen. Wenn nur Tony nicht hätte fliehen
müssen. Mit einer zweiten männlichen Kraft auf dem Gut wären sie schon über das
Ärgste hinweg. Sein lieber kleiner Bruder mit seinem Jähzorn saß nun ohne einen
Cent irgendwo im Westen. Ja, sie hatten sich alle verändert. Es war kein
Wunder. Er seufzte schwer.
    »Ich habe
dir noch nicht dafür gedankt, was ihr für Tony getan habt«, sagte er. »Ihr habt
ihm doch weitergeholfen, und das war famos von euch. Ich habe hintenherum
erfahren, daß er heil in Texas angelangt ist ... Ich hatte Angst, euch
brieflich danach zu fragen: hast du oder hat Frank ihm Geld geliehen? Ich
möchte es zurückgeben ... «
    »Ach,
bitte, Alex, jetzt nicht«, wehrte Scarlett ab. Dieses eine Mal wollte sie
nichts von Geld wissen.
    Alex
schwieg, und endlich sagte er: »Ich hole dir Will, und morgen kommen wir alle
zur Beerdigung hinüber.«
    Gerade,
als er sich seinen Hafersack wieder auf die Schulter lud, kam ein Leiterwagen
mit wackeligen Rädern aus einer Seitengasse geschwenkt und auf sie zugerüttelt.
Von dem Sitz herab rief Will ihr entgegen: »Entschuldigen Sie, daß ich so spät
komme, Scarlett!«
    Steifbeinig
kletterte er aus dem Wagen, humpelte heran, beugte sich über Scarlett und küßte
sie auf die Wange. Will hatte ihr noch nie einen Kuß gegeben und auch nie vor
ihrem Namen das >Miß< ausgelassen. Deshalb wunderte sie sich zwar, aber
das Herz ging ihr dabei auf, und sie freute sich sehr. Er half ihr behutsam
über das Rad in den Wagen hinein, und als sie sich umschaute, erkannte sie in
dem alten gebrechlichen Gefährt dasselbe wieder, mit dem sie aus Atlanta
geflohen war. Wie

Weitere Kostenlose Bücher