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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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zuerst versprechen Sie
mir, nicht über sie herzufallen. Ich will keinen Streit heute abend, wo Mr.
O'Hara tot im Hause liegt.«
    Er wollte
keinen Streit! Scarlett war entrüstet. Er sprach, als gehöre ihm Tara schon.
Aber dann dachte sie an Gerald, der tot im Hause lag, und plötzlich fing sie an
zu schlucken, zu weinen und bitterlich zu schluchzen. Will legte den Arm. um
sie, zog sie so nahe zu sich heran, daß es ihr wohltat, und sagte nichts.
    Als sie
langsam die dunkle Landstraße hinunterrumpelten, ihr Kopf mit dem schiefen Hut
an seiner Schulter, hatte sie den Gerald der letzten zwei Jahre vergessen, den
schwachsinnigen alten Herrn, der die Tür anstarrte und auf seine Frau wartete,
die doch nie mehr hereintreten würde. Sie hatte den springlebendigen,
schneidigen Alten mit seiner lockigen weißen Mähne vor sich, wie er vor
Lebenslust strotzte und mit den Füßen stampfte, und sie gedachte seiner derben
Spaße und seiner Großherzigkeit. Sie erinnerte sich, wie sie ihn als Kind für
den wunderbarsten Mann gehalten hatte, ihren lärmenden Vater, der sie vor sich
auf den Sattel nahm, wenn er über Zäune setzte, ihr die Hosen stramm zog, wenn
sie ungezogen war, dem dann die Tränen kamen, wenn sie schrie, so daß er ihr
Geldstücke gab, um sie zu beruhigen. Sie erinnerte sich daran, wie er aus
Charleston und Atlanta mit Geschenken beladen heimkehrte, die eigentlich nie
recht brauchbar waren, und lächelte unter Tränen, als sie daran dachte, wie er
in der Morgendämmerung vom Gerichtstag in Jonesboro sternhagelbetrunken nach
Hause kam, über Zäune setzte und übermütig sein »Hab' ich mein grünes Kleidchen
an« schmetterte, und wie er dann morgens, ach so beschämt, Ellen unter die
Augen trat. Nun war er wieder bei Ellen.
    »Warum
habt ihr mir nicht geschrieben, daß er krank ist? Ich wäre doch sofort
hergekommen ... «
    »Er war
gar nicht krank, nicht eine Minute. Hier, Kind, nimm mein Taschentuch, und ich
will dir erzählen.«
    Sie putzte
sich die Nase mit seinem buntgedruckten Taschentuch, denn sie hatte sich nicht
einmal eins aus Atlanta mitgebracht, und rückte sich wieder bequem in seinem
Arm zurecht. Will war doch wirklich nett, nichts konnte ihn aus der Fassung
bringen.
    »Also,
Scarlett, es war so. Du hast uns ja immer das Geld geschickt, und Ashley und
ich, wir haben die Steuern bezahlt und das Maultier gekauft und den Samen und
was nicht alles. Auch ein paar Schweine und Hühner. Miß Melly hat ausgezeichnet
für die Hühner gesorgt, jawohl. Eine großartige Frau, Miß Melly. Wie dem auch
sei, nachdem wir alles mögliche für Tara gekauft hatten, war für Krimskrams
nichts mehr übrig, aber keiner von uns hat darüber geklagt, nur Suellen.
    Miß
Melanie und Miß Carreen blieben im Hause und trugen ihre alten Kleider, als
wenn sie noch stolz auf sie wären. Aber, Scarlett, du kennst ja Suellen. Sie
hat sich nie ans Entbehren gewöhnen können. Immer wurmte es sie, daß sie ein
altes Kleid anziehen mußte, wenn ich sie mit nach Jonesboro oder nach
Fayetteville nahm. Besonders, weil ein paar von den Schieberweibern immer nach
der neuesten Mode aufgeputzt herumstolzierten. Ja, die Frauen der verdammten
Yankees, die in der Freilassungsbehörde sitzen, die verstehen sich aufzutakeln.
Deshalb ist es für die Damen aus der Provinz immer so etwas wie eine Ehrensache
gewesen, ihre schäbigsten Kleider anzuziehen, wenn sie in die Stadt fahren,
damit alle sehen, daß ihnen nichts daran liegt und sie stolz auf ihre alten
Kleider sind. Aber Suellen nicht. Sie wollte auch noch Pferd und Wagen haben
und sagte, du hättest ja auch einen Wagen.«
    »Nur einen
alten Einspänner«, rief Scarlett entrüstet.
    »Einerlei.
Ich will dir aber noch etwas anderes sagen. Was Suellen nie verwunden hat, ist,
daß du Frank Kennedy geheiratet hast, und ich kann es ihr nicht verdenken.
Weißt du, gegen die leibhaftige Schwester war das ein schlechter Streich.«
    Scarlett
hob den Kopf von seiner Schulter wie eine gereizte Klapperschlange, die
zubeißen will. »So, ein schlechter Streich? Halt deinen schlechten Mund, Will
Benteen! Was kann ich dafür, daß er mich lieber hatte als sie?«
    »Du bist
ein gerissenes Mädchen, Scarlett, und wirst schon etwas dafür können, daß er
dich lieber hatte. Mädchen können immer etwas dafür. Du hast sicherlich das
Deine getan. Du bist eine mächtig anziehende kleine Person, wenn du willst,
aber trotzdem. Er hatte doch um Suellen angehalten. Noch eine Woche, ehe du
nach Atlanta gingst,

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