Margaret Mitchell
kennen Ashley, aber ich sehe es ihm an. Gestern
abend, als wir alle bei Ihrem Pa wachten, habe ich ihm erzählt, ich hätte
Suellen gefragt und sie habe ja gesagt. Da sagte Ashley, es sei ihm eine
Erleichterung. Er sei sich wie ein Hund vorgekommen, daß er immer weiter auf Tara
bliebe. Aber er habe gemeint, da nun Mr. O'Hara tot sei, müßten er und Melly
weiterbleiben, nur damit Suellen und ich nicht ins Gerede kämen. Bei der
Gelegenheit hat er mir erzählt, daß er weg wolle und arbeiten.«
»Arbeiten?
Wo denn? Was denn?«
»Ich weiß
nicht genau, was er vorhat. Er sagte, er wolle nach dem Norden. Er hat einen
Freund in New York, der ihm geschrieben hat, er könnte dort in einer Bank
arbeiten.«
»Nein,
nein!« Dieser Ausruf kam aus Scarletts tiefstem Herzen, und Will schaute sie so
wissend an wie zuvor.
»Vielleicht ist es wirklich
besser, er geht nach dem Norden.«
»O nein, das glaube ich nicht.«
Ihr Geist
arbeitete fieberhaft, Ashley durfte nicht nach dem Norden! Dann sah sie ihn
womöglich niemals wieder. Obwohl sie ihn seit Monaten nicht gesehen und seit
dem verhängnisvollen Gespräch im Obstgarten nicht allein mit ihm gesprochen
hatte, war doch kein Tag vergangen, da sie nicht an ihn gedacht und sich nicht
gefreut hatte, daß er unter ihrem Dach in guter Hut war. Sie hatte an Will keinen
Dollar geschickt ohne den frohen Gedanken, daß er Ashley das Leben erleichtern
sollte. Allerdings, er war kein guter Landwirt und war zu Besserem geboren. Er
war geboren zu herrschen, in einem großen Hause zu wohnen, schöne Pferde zu
reiten, Gedichte zu lesen und die Neger anzuweisen, was sie zu tun hatten. Daß
es keine Herrenhäuser, keine Pferde, keine Neger und nur noch wenige Bücher
gab, änderte daran nichts. Ashley war nicht dazu geschaffen, hinter dem Pflug
zu gehen und Zaunpfähle zu spalten. Kein Wunder, daß er aus Tara weg wollte.
Aber aus
Georgia durfte er nicht fort! Wenn es sein mußte, wollte sie Frank schon dazu
bringen, ihn in seinem Laden zu beschäftigen und den Jungen, der jetzt hinterm
Ladentisch stand, zu entlassen. Aber nein, Ashleys Platz war ebensowenig hinter
dem Ladentisch wie hinter dem Pflug. Ein Wilkes als Ladenverkäufer, das durfte
nicht sein. Es mußte doch noch etwas anderes ... natürlich, ihre Mühle! Ihr
fiel ein solcher Stein vom Herzen, daß sie lächeln konnte. Aber ob er ihr Anerbieten
annahm? Ob er das nicht auch wieder für Mildtätigkeit hielt? Sie mußte es ihm
so darstellen, als ob er ihr damit einen Gefallen täte. Sie würde Johnson
kündigen und Ashley die alte Sägemühle übergeben, während Hugh die neue führte.
Sie würde Ashley auseinandersetzen, daß Frank bei seiner schlechten Gesundkeit
schon übergenug im Laden zu tun habe und ihr nicht helfen könne, und auch ihr
Zustand sollte herhalten, ihn zu überzeugen, daß sie Hilfe brauchte. Sie mußte
es so darstellen, als könnte sie seine Hilfe gegenwärtig einfach nicht
entbehren. Sie würde ihn zur Hälfte an der Mühle beteiligen, wenn er sie
übernehmen wollte. Sie war bereit, alles zu tun, um ihn nur in der Nähe zu
haben und sein helles Lächeln aufleuchten zu sehen, alles, um vielleicht einmal
einen unbewachten Blick aus seinen Augen zu erhaschen, aus dem sie las, daß er
noch etwas auf sie gab. Aber sie gelobte sich, ihn niemals wieder zu Worten der
Liebe zu treiben und ihn niemals seine dumme Ehre vergessen zu lassen, die er
höher hielt als die Liebe. Sie mußte einen Weg finden, ihn ihren neuen Vorsatz
auf zarte Weise wissen zu lassen. Sonst lehnte er womöglich ab aus Scheu vor
einem solchen Auftritt wie jenem letzten, schrecklichen.
»Ich kann
ihm in Atlanta eine Stelle verschaffen«, sagte sie.
»Nun, das
ist Ihre und Ashleys Sache«, meinte Will und nahm den Strohhalm wieder in den
Mund. »Hüh, Sherman. - Scarlett, ich muß Sie noch um etwas bitten, ehe ich
Ihnen von Ihrem Pa erzähle. Sie dürfen nicht über Suellen herfallen. Was sie
getan hat, hat sie getan. Wenn Sie ihr die Haare einzeln ausreißen, so macht
das Mr. O'Hara nicht wieder lebendig. Übrigens war sie ehrlich davon überzeugt,
das Rechte zu tun.«
»Danach
wollte ich Sie schon fragen. Was ist denn eigentlich mit Suellen? Alex sprach
in Rätseln und sagte, sie verdiene die Peitsche. Was hat sie denn getan?«
»Ja, man
ist hier ziemlich aufgebracht über sie. Alle, die ich heute nachmittag in
Jonesboro traf, schwuren, sie beim nächsten Zusammentreffen in Stücke zu
reißen, aber sie werden wohl darüber hinwegkommen. Aber
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