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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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straffer Entschlossenheit, was sie beunruhigte. Er konnte doch
nicht ablehnen! Was in aller Welt hätte ihn dazu bewegen sollen?
    »Ashley«,
fing sie wieder an und hielt inne. Sie hatte eigentlich ihre Schwangerschaft
nicht für sich anführen wollen und hatte sich vor dem Gedanken gescheut, daß
Ashley sie überhaupt so entstellt sehen sollte, aber als alles andere ihm
offenbar keinen Eindruck machte, beschloß sie doch, ihren Zustand und ihre
Hilflosigkeit als letzten Trumpf auszuspielen. »Du mußt nach Atlanta kommen,
ich kann deine Hilfe jetzt nicht entbehren, weil ich mich nicht selbst um die
Mühle kümmern kann. Es wird Monate dauern, bis ich wieder soweit bin, denn ...
siehst du ...«
    »Bitte!«
sagte er rauh. »Mein Gott, Scarlett!«
    Er stand
mit einem Ruck auf und ging ans Fenster, drehte ihr den Rücken zu und
beobachtete die Enten, die feierlich eine hinter der anderen über den Hof
zogen.
    »Magst du
... siehst du mich deshalb nicht an?« fragte sie hilflos. »Ich weiß, mein
Aussehen ... «
    Wie der
Blitz drehte er sich um, und seine grauen Augen schauten die ihren mit einer
solchen Innigkeit an, daß sie sich an die Kehle faßte.
    »Dein
Aussehen!« sagte er kurz und heftig. »Du weiß doch, für mich bist du immer
schön!«
    Glückseligkeit
überflutete sie, bis ihr die Augen von Tränen schimmerten. »Wie lieb von dir,
das zu sagen! Ich schämte mich schon so vor dir.«
    »Warum
solltest du dich schämen? Ich sollte mich schämen, nicht du. Wäre ich nicht so
blind und töricht gewesen, so wärst du jetzt nicht so schlimm daran. Nie
hättest du Frank Kennedy geheiratet. Ich hätte dich nie und nimmer aus Tara
fortlassen dürfen. Oh, wie war ich blind! Ich hätte dich kennen sollen. Ich
hätte wissen müssen, daß du verzweifelt warst und in deiner Verzweiflung zu
allem fähig warst. Ich hätte ...«
    Er hatte
ein völlig verstörtes Gesicht, und ungestüm schlug Scarlett das Herz. Es reute
ihn, daß er nicht mit ihr davongegangen war!
    »Ich hätte
fortgehen und Mord und Totschlag begehen sollen, um dir das Geld für die
Steuern zu beschaffen. Das war das mindeste, das ich tun konnte dafür, daß du
uns als Bettler aufgenommen hast. Ach, wie habe ich es von vornherein alles
falsch gemacht!«
    Enttäuschung
preßte ihr das Herz zusammen und trübte ihr die Freude. Sie hatte etwas anderes
zu hören gehofft.
    »Ich wäre
auf jeden Fall gegangen«, sagte sie müde. »Ich hätte ja nicht zulassen können,
daß du so etwas tätest, und was geschehen ist, ist geschehen.«
    »Ja, es
ist nicht mehr zu ändern«, sagte er langsam und bitter. »Du hättest nicht
geduldet, daß ich etwas Unehrenhaftes täte, aber dich selbst hast du an einen
Mann verkauft, den du nicht liebst, und du trägst sein Kind, damit wir nicht
Hunger leiden. Es war lieb von dir, daß du mich in meiner Hilflosigkeit
beschütztest.«
    Die
Schärfe seines Tones verriet eine ungeheilte Wunde, die ihn im innersten Herzen
schmerzte, und sie schämte sich bei seinen Worten. Er sah es sofort ihren Augen
an, und sein Gesicht wurde weich.
    »Du meinst
doch nicht, ich mache dir Vorwürfe? Lieber Gott, Scarlett. O nein, du bist die
tapferste Frau, die mir je begegnet ist. Mir selber mache ich Vorwürfe.«
    Er wandte
sich um und blickte wieder aus dem Fenster; seine Schultern hatten etwas von
ihrer Straffheit eingebüßt. Eine lange Weile schwieg Scarlett. Sie hoffte, die
Stimmung würde wiederkehren, in der er von ihrer Schönheit gesprochen hatte,
und sie wartete, daß er noch mehr Worte spräche, an denen sie noch lange zehren
könnte. Sie hatte ihn so viele Monate nicht gesehen und nur von Erinnerungen
gelebt, bis diese fast verbraucht waren. Sie wußte, daß er sie noch liebte. Das
verriet sich in jeder Miene, in jedem bitteren Wort der Selbstbeschuldigung und
in seinem Groll gegen Franks Kind, das sie unter ihrem Herzen trug. Sie sehnte
sich schmerzlich danach, dies ausgesprochen zu hören, ihm ein Geständnis seiner
Liebe zu entlocken, aber sie wagte nichts zu sagen. Sie dachte daran, wie sie
ihm versprochen hatte, sich ihm nie wieder an den Hals zu werfen. Traurig
erkannte sie, daß sie ihr Wort halten mußte, wenn Ashley in ihrer Nähe bleiben
sollte. Ein Aufschrei der Liebe und Sehnsucht, ein Blick, der nach seinen Armen
verlangte, und alles war für immer entschieden. Dann ging Ashley nach New York,
und das durfte er nicht.
    »O Ashley,
mach dir keine Vorwürfe. Wie solltest denn du daran schuld sein? Aber nun
kommst du doch nach

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