Margaret Mitchell
Mühle mit Sträflingen zu betreiben. Ich habe mit
Johnnie Gallegher, Tommy Wellburns Vorarbeiter, darüber gesprochen, welche
Plage wir damit hätten, die Schwarzen zur Arbeit anzuhalten, und er fragte
mich, warum ich keine Sträflinge nähme. Das leuchtet mir ein. Er sagte, ich
bekäme sie ungefähr umsonst und könnte sie spottbillig beköstigen. Es ließe
sich so viel Arbeit aus ihnen herausholen, wie ich nur wollte, ohne daß die
Freilassungsbehörde ihre Nase dareinstecke ... Sobald Johnnie Galleghers
Vertrag mit Tommy abläuft, kommt er zu mir und übernimmt Hughs Mühle. Wer dies
Gelichter von wilden Iren, die er jetzt unter sich hat, zur Arbeit treiben
kann, der versteht auch aus Sträflingen was herauszuholen.«
Sträflinge!
Frank war sprachlos. Sträflinge mieten, das war von all den wilden Plänen, auf
die Scarlett je verfallen war, der allerschlimmste, schlimmer noch als ihr
Einfall, eine Kneipe zu bauen. Jedenfalls kam es Frank und den Kreisen, in
denen er verkehrte, so vor. Das neue System, Sträflinge zu mieten, war eine
Folge der Armut des Staates nach dem Kriege. Der Staat konnte seine Sträflinge
nicht mehr unterhalten und vermietete sie an Unternehmer, die große
Belegschaften brauchten, beim Eisenbahnbau, in den Wäldern und in den
Holzlagern. Wenn Frank und seine stillen, kirchentreuen Freunde diese
Notwendigkeit auch einsahen, beklagten sie das Verfahren darum nicht minder.
Manche von ihnen hatten nicht einmal die Sklaverei gutgeheißen und fanden dies
viel schlimmer als alle Sklaverei.
Scarlett
wollte Sträflinge mieten! Wenn sie das tat, konnte Frank den Leuten nicht mehr
ins Gesicht sehen. Das war ein Handel mit Menschenleibern, der der Prostitution
gleichkam. Es war eine Sünde, die auf seinem Gewissen lasten würde, wenn er es
duldete.
Aus der
festen Überzeugung, daß es ein wirkliches Unrecht sei, schöpfte Frank den Mut,
es Scarlett zu verbieten, und zwar so nachdrücklich, daß sie verdutzt schwieg.
Um ihn zu beruhigen, sagte sie schließlich ganz demütig, sie habe nicht im
Ernst die Absicht gehabt. Sie habe nur Hugh und die freigelassenen Neger so
satt, daß sie in Hitze geraten sei. Im stillen freilich dachte sie weiter
daran. Sträflingsarbeit war die Lösung eines ihrer schwersten Probleme.
Sie
seufzte. Wenn nur wenigstens eine der beiden Mühlen etwas einbringen wollte, so
ließe es sich noch ertragen. Aber auch Ashley fuhr mit seiner Mühle kaum besser
als Hugh.
Im Anfang
war Scarlett erschrocken und enttäuscht, daß Ashley nicht doppelt soviel aus
der Mühle herauswirtschaftete wie sie. Er hatte einen so scharfen Blick und
hatte so viel gelesen, da mußte er doch eigentlich große Erfolge haben und
einen Haufen Geld verdienen. Aber es gelang ihm nicht besser als Hugh. Bei
beiden die gleiche Unerfahrenheit, die gleichen Irrtümer, das gleiche Fehlen
jedes kaufmännischen Blickes und die gleiche Zaghaftigkeit!
In ihrer
Liebe fand Scarlett reichliche Entschuldigung für Ashley und maß die beiden mit
verschiedenem Maß. Hugh war hoffnungslos dumm, während Ashley nur unerfahren
war. Aber ohne daß sie es wollte, mußte sie sich doch eingestehen, daß Ashley
nie im Kopf einen raschen Überschlag zu machen und den richtigen Preis
anzugeben vermochte, so wie sie es konnte. Manchmal fragte sie sich, ob er wohl
je zwischen Verschalungen und Schwellen würde unterscheiden lernen. Und weil er
selbst ein Gentleman war, traute er auch jedem hergelaufenen Schuft und hätte
mehrfach Geld verloren, wenn sie nicht taktvoll eingegriffen hätte. Und wenn er
gar jemanden gern hatte - und er hatte viele Leute gern -, gab er ihnen das
Holz auf Kredit und kam nicht auf den Gedanken, sich nach der Zahlungsfähigkeit
des Kunden zu erkundigen. Darin war er nicht besser als Frank.
Aber
sicher lernte er es mit der Zeit! Bis dahin hatte sie mit seinen Fehlern die
liebevolle Nachsicht und Geduld einer Mutter. Jeden Abend, wenn er müde und
entmutigt zu ihr kam, war sie unermüdlich in schonenden, hilfreichen
Anregungen. Aber trotz alledem behielten seine Augen immer ihren eigentümlichen
toten Blick. Sie verstand ihn nicht, und er ängstigte sie. Er war ganz anders
geworden als früher. Könnte sie nur einmal mit ihm allein sein, dann fand sie
vielleicht heraus, was es war.
Sie hatte
viele schlaflose Nächte deswegen. Sie sorgte sich um ihn, teils weil er
unglücklich war und teils weil seine unglückliche Stimmung seine Begabung zum
Holzhandel nicht eben förderte. Es war eine Qual, ihre Mühlen
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