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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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blind und
verstümmelt - oder überhaupt nicht wieder heimzukehren. Alle denken sie gern an
den Krieg und sprechen gern davon. Ich aber nicht! Ich möchte es alles
vergessen, wenn ich könnte!«
    Es überlief
sie, wenn Melanie alte Geschichten aus Tara erzählte und Scarlett zur Heldin
machte, wie sie den Eindringlingen entgegentrat und Charles' Degen rettete oder
das Feuer löschte. Scarlett war bei solchen Erinnerungen weder froh noch stolz.
Sie wollte nicht mehr daran denken. Ach, warum konnten sie niemals vergessen!
Warum nicht vorwärts blicken, anstatt zurück!
    Aber
keiner wollte vergessen. Keiner, nur sie. Daher war Scarlett froh, als sie
Melanie sagen konnte, daß sie, selbst in der Dunkelheit, nicht mehr zu kommen
vermochte. Melanie verstand sie ohne weiteres, weil sie in allem, was mit
Geburt zu tun hatte, überempfindlich war. Melanie hätte für ihr Leben gern ein
zweites Kind gehabt, aber sowohl Dr. Meade wie Dr. Fontaine hatten gesagt, an
einer zweiten Entbindung müsse sie zugrunde gehen. Sie ergab sich nur ungern in
ihr Schicksal und verbrachte die meiste Zeit mit Scarlett und freute sich an
der fremden Schwangerschaft, als wäre es die eigene. Scarlett, der das
erwartete Kind nicht willkommen war, sah darin die Höhe der Albernheit und
Sentimentalität, sagte sich aber gleichzeitig schadenfroh, daß das Urteil der
Ärzte jede wirkliche innige Beziehung zwischen Ashley und seiner Frau unmöglich
machte.
    Scarlett
sah Ashley häufig, aber niemals allein. Er sprach jeden Abend auf dem Heimweg
von der Sägemühle bei ihr vor, um Bericht zu erstatten, aber Frank und Pitty
waren meistens dabei oder auch, was noch störender war, Melanie und India. Sie
konnte nur geschäftliche Fragen stellen und Vorschläge machen und dann sagen:
»Nett von dir, daß du hereingeschaut hast. Gute Nacht!«
    Wenn sie
nur kein Kind bekommen sollte! Hier war doch eine gottgesandte Gelegenheit,
jeden Morgen, fern von allen Späheraugen, mit ihm zur Mühle zu fahren, durch
die einsamen Wälder, wo sie sich in die Heimat zurückdenken konnten, in die
geruhsamen Tage, die sie vor dem Krieg dort miteinander verlebt hatten.
    Nein, sie
wollte ihn nicht verleiten, auch nur ein einziges Wort der Liebe zu sagen! Von
Liebe sollte nicht mehr die Rede sein, sie hatte es sich geschworen. Aber wenn
sie mit ihm allein war, ließ er doch vielleicht die Maske unpersönlicher
Höflichkeit fallen, die er seit seiner Ankunft in Atlanta trug. Vielleicht war
er dann wieder der alte Ashley, wie sie ihn vor dem Gartenfest gekannt hatte,
ehe das erste Wort von Liebe zwischen ihnen gefallen war. Wenn sie sich nicht
lieben durften, so konnten sie doch wieder Freunde sein, und sie konnte ihr
kaltes, einsames Herz an seiner Freundschaft wärmer. Wäre nur das Kind erst da.
    Aber nicht
nur der Wunsch, bei ihm zu sein, quälte sie in ihrer hilflosen Ungeduld. Sie
war in den Betrieben nötig. Die Mühlen hatten Verluste gehabt, seitdem sie
nicht mehr persönlich die Aufsicht führte und alles Ashley und Hugh überließ.
    Hugh war
unfähig, wenn er sich auch noch so große Mühe gab. Er war ein schlechter
Kaufmann und noch schlechterer Betriebsführer. Man konnte ihm den Preis
drücken. Wenn es einem gerissenen Unternehmer einfiel, die Waren
schlechtzumachen, so meinte Hugh, er habe als Gentleman um Entschuldigung zu
bitten und den Preis herabzusetzen. Als sie den Preis erfuhr, den er für ein
ansehnliches Quantum Dielenholz erzielt hatte, brach sie in zornige Tränen aus.
Die beste Qualität Dielenholz, die die Mühle je herausgebracht hatte, und er
hatte es einfach verschenkt! Mit der Belegschaft wurde er auch nicht fertig.
Die Neger bestanden auf täglicher Auszahlung, und häufig vertranken sie ihren
Lohn und erschienen am nächsten Morgen nicht zur Arbeit. Dann mußte Hugh neue
Arbeiter auftreiben, der Mühlenbetrieb fing zu spät an, und Hugh kam tagelang
nicht in die Stadt, um das Holz zu verkaufen.
    Als
Scarlett sah, wie ihm der Gewinn durch die Finger glitt, geriet sie über ihre
Ohnmacht und seine Dummheit in Raserei. Sobald sie wieder arbeiten konnte,
wollte sie ihn entlassen und einen anderen anstellen. Mit jedem anderen mußte
es besser gehen. Auch wollte sie sich nicht mehr von den freigelassenen Negern
zum besten halten lassen. Wer konnte denn mit diesen freigelassenen Negern was
schaffen, wenn sie alle paar Tage feierten!
    »Frank«,
sagte sie nach einer stürmischen Aussprache mit Hugh über die Arbeiterfrage,
»ich bin entschlossen, die

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