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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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dafür, daß sie ihn aus ihrem Schlafzimmer verbannt
hatte.
    Seit jenem
Abend, da sie ihm gesagt hatte, sie wolle keine Kinder mehr haben, hatte er ihr
Zimmer nicht wieder betreten noch auch nur auf die Türklinke gedrückt. Beim
Abendessen hatte er häufiger am Tisch gefehlt als darangesessen, bis er wegen
der Angstausbrüche Bonnies wieder häuslicher wurde. Manchmal war er die ganze
Nacht fortgeblieben, und Scarlett, die hinter ihrer abgeschlossenen Tür wach
lag und die Uhr die frühen Morgenstunden schlagen hörte, überlegte sich, wo er
wohl sein mochte. Er hatte damals gesagt: »Es gibt andere Betten, mein Kind!«
Obwohl dieser Gedanke ihr eine Qual war, konnte sie doch nichts daran ändern.
Was sie auch sagen mochte, alles führte unfehlbar zu einem bösen Auftritt, bei
dem es Bemerkungen über ihre verschlossene Tür setzte und über Ashley, der
wahrscheinlich damit im Zusammenhang stehe. Ja, seine törichte Behauptung,
Bonnie müsse in einem erhellten Zimmer schlafen, und zwar in seinem, war nur
eine Niedertracht, um sich an ihr zu rächen.
    Welche
Bedeutung er Bonnies Ängsten beimaß und wie leidenschaftlich er an dem Kinde
hing, ging ihr erst in einer schrecklichen Nacht auf, die die ganze Familie
nicht wieder vergessen sollte.
    Rhett
hatte an diesem Tage einen früheren Kameraden aus der Zeit der
Blockadeschiffahrt getroffen, und sie hatten einander viel zu erzählen. Wo sie
miteinander getrunken hatten, wußte Scarlett nicht, vermutete aber, daß es bei
Belle Watling gewesen war. Nachmittags kam er nicht wie sonst nach Hause, um
mit Bonnie spazierenzugehen. Auch zum Abendessen ließ er sich nicht sehen.
Bonnie, die den ganzen Nachmittag aus dem Fenster nach ihm ausgeschaut hatte,
weil sie ihm ihre Sammlung arg verstümmelter Käfer und Kakerlaken zeigen
wollte, war schließlich trotz Jammerns und Sträubens von Lou zu Bett gebracht
worden. Entweder hatte Lou vergessen, die Lampe anzuzünden, oder sie war
ausgebrannt. Niemand wußte genau, was geschehen war, aber als Rhett endlich
etwas angetrunken nach Hause kam, befand sich das ganze Haus in Aufruhr, und
schon im Stall hörte er das Kind schreien. Es war im Dunkeln aufgewacht und
hatte nach ihm gerufen, und er war nicht dagewesen. Alle die namenlosen
Schreckgespenster, die Bonnies kleine Phantasie bevölkerten, mußten über sie
hergefallen sein. Die beruhigenden hellen Lichter, die Scarlett und die
Dienstboten heraufbrachten, konnten sie nicht beschwichtigen, und Rhett, der mit
großen Sätzen die Treppe heraufkam, sah aus wie jemand, der dem leibhaftigen
Tod ins Angesicht blickt.
    Als er sie
endlich auf den Arm genommen und aus ihrem Keuchen und Schluchzen nur das eine
Wort »dunkel« herausbekommen hatte, wendete er sich wie ein Rasender gegen
Scarlett und die Schwarzen.
    »Wer hat
das Licht ausgemacht? Wer hat sie im Dunkeln allein gelassen? Prissy, dafür
ziehe ich dir das Fell über die Ohren!«
    »Allmächtiger,
Mister Rhett! Ich war es ja gar nicht! Lou war es!«
    »Um Gottes
willen, Mister Rhett ... «
    »Halt's
Maul! Du weißt, was ich befohlen habe. Bei Gott, ich will dir ... hinaus mir
dir! Daß du mir nicht wieder vor die Augen kommst! Scarlett, gib ihr Geld und
sorge dafür, daß sie fort ist, ehe ich hinunterkomme. Jetzt schert euch alle
zum Teufel!«
    Die Neger
flohen, Lou, das Unglückswurm, heulte laut in ihre Schürze. Nur Scarlett blieb
da. Es war ihr schmerzlich, daß ihr Lieblingskind sich zusehends in Rhetts
Armen beruhigte, während es in den ihren so kläglich geschrien hatte. Es war
ihr schmerzlich zu sehen, wie die kleinen Ärmchen sich um seinen Hals legten,
und zu hören, wie sie mit erstickter Stimme erzählte, was sie so geängstigt
hatte, während sie als Mutter aus ihr nichts Zusammenhängendes hatte
herausbekommen können.
    »Also auf
deiner Brust hat es gesessen«, sagte Rhett leise. »War es denn sehr groß?«
    »O ja,
furchtbar groß. Und die Klauen!«
    »Aha,
Klauen! Nein so was. Natürlich wache ich die ganze Nacht bei dir und schieße es
tot, wenn es wiederkommt.« Rhetts Ton war voller Liebe und Teilnahme und
beruhigte Bonnie. Ihr Schluchzen verebbte nach und nach, ihre Stimme wurde
freier, als sie das Ungeheuer, das sie heimgesucht hatte, in einer Sprache, die
nur er verstand, ausführlich beschrieb. Es ärgerte Scarlett, daß Rhett so
darüber sprach, als handele es sich um etwas Wirkliches; aber er gab ihr nur
ein Zeichen, daß sie schweigen solle. Als Bonnie endlich eingeschlafen war,
legte er sie ins Bett

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