Margaret Mitchell
Kopf, wenn ich daran
denke, wie rasch du dann auf die Scheidung dringen würdest.«
»Willst du
jetzt gehen?«
»Jawohl,
ich gehe. Ich bin nur nach Hause gekommen, um dir das zu sagen. Ich gehe nach
Charleston und New Orleans ... nun, auf Reisen für recht lange Zeit. Ich fahre
heute.«
»Was du
sagst!«
»Und
Bonnie nehme ich mit. Laß die dumme Prissy ihre kleinen Siebensachen packen.
Prissy kommt auch mit.«
»Mein Kind
lasse ich nicht aus dem Hause.«
»Mrs.
Butler, es ist auch mein Kind. Sie werden wohl kaum etwas dagegen haben, daß
ich mit ihr die Großmutter in Charleston besuche?«
»Großmutter?
Was du nicht sagst! Meinst du, ich gäbe dir das Kind mit, wenn du dich jeden
Abend betrinkst und sie womöglich in solche Lokale mitnimmst wie Beiles?«
Er schmiß
die Zigarre auf den Fußboden, wo sie auf dem Teppich weiterqualmte, und der
Geruch versengter Wolle stieg ihnen in die Nase. Im nächsten Augenblick stand
er neben ihr, das Gesicht dunkel vor Wut.
»Wärst du
ein Mann, ich bräche dir dafür das Genick. Dir aber kann ich nur raten, dein
gotteslästerliches Maul zu halten. Meinst du, ich habe Bonnie nicht viel zu
lieb, als daß ich ... meine Tochter! Du bist irre. Du tust fromm und mütterlich,
und dabei ist noch jede Katze eine bessere Mutter als du. Was hast du jemals
für die Kinder getan? Wade und Ella haben eine Todesangst vor dir, und wäre
nicht Melanie Wilkes, sie wüßten überhaupt nicht, was Liebe und Zärtlichkeit
ist. Aber Bonnie, meine Bonnie! Meinst du, ich könnte nicht besser für sie
sorgen als du? Meinst du, ich lasse dich mit ihr herumkeifen und sie
verschüchtern, wie du es mit Wade und Ella schon getan hast? Teufel, nein! In
einer Stunde hat sie mit ihren Sachen reisefertig zu sein, oder der Sturm von
neulich nacht soll dir noch milde vorkommen gegen das, was dann geschieht. Ich
habe schon immer gemeint, eine Fuhrmannspeitsche müßte dir sehr guttun.«
Er machte
kehrt, ehe sie etwas erwidern konnte, und verließ raschen Schrittes das Zimmer.
Sie hörte ihn über den Flur ins Spielzimmer der Kinder gehen und die Tür
öffnen. Sofort erscholl ein dreistimmiges Freudengeheul, Bonnies Stimme
übertönte die andern.
»Pappie,
wo bist du gewesen?«
»Im
Hasenland! Hatte fast ein Karnickel für Bonnie am Wickel. Gib deinem
allerliebsten Pappi einen Kuß, Bonnie - du auch, Ella!«
»Liebes,
ich will keinerlei Erklärung von dir haben und überhaupt nichts weiter davon
hören«, sagte Melly entschieden, legte sanft ihre kleine Hand auf Scarletts
gequälte Lippen und brachte sie zum Schweigen. »Du beleidigst dich selbst und
Ashley und mich, wenn du meinst, zwischen uns bedürfe es erklärender Worte. Wir
drei haben doch so viele Jahre wie die Soldaten zusammen gegen die ganze Welt
gekämpft, da schäme ich mich in deiner Seele, wenn du meinst, ein müßiger
Klatsch könne zwischen uns treten. Bildest du dir denn ein, ich könnte glauben,
daß du und mein Ashley ... was für eine Vorstellung! Ist dir denn nicht klar,
daß ich dich besser kenne als irgend jemand auf der Welt? Meinst du, ich hätte
alle deine wunderbaren, selbstlosen Handlungen für Ashley, Beau und mich
vergessen? Das Leben hast du mir gerettet, vor dem Hunger hast du uns bewahrt,
alles, alles hast du für uns getan. Meinst du, ich könnte daran zurückdenken,
wie du fast barfuß mit zerschundenen Händen hinter dem Pferd des Yankees in der
Ackerfurche gegangen bist, nur damit das Kleine und ich zu essen hätten - und
dann so fürchterliches von dir glauben? Kein Wort mehr will ich von dir hören,
Scarlett O'Hara, kein Wort!«
»Aber ...«
Scarlett suchte nach Worten, schließlich gab sie es auf.
Vor einer
Stunde hatte Rhett mit Bonnie und Prissy die Stadt verlassen, und sie war in
ihrer Schande und ihrem Ingrimm nun mutterseelenallein. Dazu kam die Schuld
ihrer Liebe zu Ashley, und jetzt noch Melly, die für sie eintrat - das alles
zusammen war mehr, als sie ertragen konnte. Hätte Melly India und Archie
geglaubt und sie fortan geschnitten oder auch nur frostig behandelt, sie hätte
den Kopf hoch tragen und sich mit allen Waffen ihrer Rüstkammer den Rückzug
decken können. Nun aber stand Melly wie eine feine, blanke Klinge zwischen ihr
und der Verfemung, kampflustig, leuchtenden Auges und voller Vertrauen. Nun sah
Scarlett als einzig anständigen Weg nur noch ein offenes Bekenntnis vor sich,
das von jenem fernen Anfang auf der sonnigen Veranda in Tara an alles
rückhaltlos preisgab.
Ihr
Gewissen trieb sie
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