Margaret Mitchell
auf ihren guten
Sitz und ihre leichte Hand.
»Warte
nur, bis sie groß genug für die Jagd ist«, prahlte er, »dann kommt ihr auf
keinem Gelände jemand gleich. Dann nehme ich sie mit nach Virginia. Dort gibt
es richtige Jagden, und nach Kentucky, wo man gute Reiter zu würdigen weiß.«
Als sie
ihr Reitkleid bekommen sollte, blieb ihr, wie gewöhnlich, die Wahl der Farbe
überlassen, und wie gewöhnlich wählte sie Blau.
»Aber
Liebling, nicht den blauen Samt! Der ist für ein Abendkleid für mich«, lachte
Scarlett. »Kleine Mädchen tragen hübsches schwarzes Tuch zum Reiten.« Als sie
die kleinen Brauen sich furchen sah, wandte sie sich an Rhett. »Um Himmels
willen, sag ihr doch, daß es nicht geht, der Samt wird ja so leicht schmutzig.«
»Ach, laß
ihr doch den blauen Samt. Wenn er schmutzig ist, bekommt sie ein neues Kleid«,
sagte Rhett gemütlich.
So kam Bonnie
zu einem blausamtenen Reitkleid, dessen Rock dem Pony über die Flanke
herabhing. Dazu trug sie einen schwarzen Hut mit roter Straußenfeder, weil
Tante Mellys Geschichten von Job Smart und seiner Feder auf dem Hut es ihr
angetan hatten. An klaren, sonnigen Tagen ritten die beiden miteinander die
Pfirsichstraße entlang, und Rhett zügelte seinen schweren Rappen, daß er mit
dem fetten Pony Schritt hielt. Manchmal galoppierten sie zusammen durch die
stillen Straßen der Stadt und scheuchten Hühner, Hunde und Kinder auf. Bonnies
wirre Locken flogen, sie gab Mr. Butler die Peitsche, Rhett hielt sein Pferd
mit fester Hand zurück, und Mr. Butler gewann das Rennen.
Als Rhett
ihres Sitzes, ihrer Zügelhaltung und ihrer unbedingten Furchtlosigkeit sicher
war, fand er es an der Zeit, daß sie springen lerne, wenn auch nur in den
Grenzen, die Mr. Butlers kurze Beine erlaubten. Zu diesem Zweck errichtete er
im Hintergarten eine Hürde und zahlte Wash, Onkel Peters kleinem Neffen,
fünfundzwanzig Cents den Tag mit dem Auftrag, Mr. Butler das Springen
beizubringen. Er fing mit einer Stange zwei Zoll über dem Fußboden an und
brachte es schließlich zu einem ein Fuß hohen Sprung.
Diese
Regelung mißfiel allen drei Beteiligten, Wash, Mr. Butler und Bonnie. Wash
hatte Angst vor Pferden, und nur die fürstliche Bezahlung konnte ihn dazu
bewegen, unzählige Male am Tage das störrische Pony über die Stange zu hetzen;
Mr. Butler, der sich zwar geduldig von seiner kleinen Herrin am Schwanz ziehen
und unaufhörlich die Hufe untersuchen ließ, fand doch, der Schöpfer des Ponys
habe ihn nicht dazu bestimmt, mit seinem fetten Bauch über eine Stange zu
setzen. Bonnie endlich duldete überhaupt nicht gern jemand anderen auf ihrem
Pony und zappelte vor Ungeduld, während Mr. Butler Unterricht hatte.
Als Rhett
endlich entschied, nun sei das Pony ausreichend geschult und Bonnie könne ihm
anvertraut werden, war das Kind über alle Maßen aufgeregt. Gleich beim
erstenmal setzte es mit fliegenden Fahnen über die Hürde, und von nun an hatte
das Ausreiten mit ihrem Vater für sie keinen Reiz mehr. Scarlett mußte über den
Stolz und über die Begeisterung von Vater und Tochter lachen. Sie meinte aber,
wenn der Reiz der Neuheit vorüber sei, würde Bonnie sich schon wieder anderen
Dingen zuwenden und die Nachbarn ihre Ruhe haben. Doch das Spiel behielt seinen
Reiz. Von der Laube ganz hinten im Hintergarten bis an die Hürde lief schon
eine kahle Spur, und den ganzen Morgen hallte der Garten wider von Bonnies
wildem Geschrei. Großpapa Merriwether, der 1849 über Utah nach Kalifornien
gegangen war, sagte, es klänge genau wie der Kriegsruf der Apachen über einen
glücklich skalpierten Feind.
Nach der
ersten Woche bettelte Bonnie, die Stange möchte höher gelegt werden, anderthalb
Fuß von der Erde.
»Wenn du
sechs Jahre alt bist«, sagte Rhett, »bist du groß genug, um höher zu springen,
und ich kaufe dir ein größeres Pferd. Mr. Butlers Beine sind nicht lang genug.«
»Das sind
sie doch. Ich bin über Tante Mellys Rosen gesprungen, die sind furchtbar hoch.«
»Nein, du
mußt warten«, sagte Rhett diesmal sehr entschieden. Aber allmählich schwand
seine Entschiedenheit vor dem unaufhörlichen Drängen des Kindes dahin.
»Dann nur
zu«, sagte er eines Morgens lachend und stellte die schmale weiße Stange etwas
höher. »Wenn du fällst, heul aber nicht und gib mir nicht die Schuld.«
»Mutter!«
jauchzte Bonnie und schaute zu Scarletts Schlafzimmer hinauf. »Mutter! Schau
her, Papi sagt, ich darf!«
Scarlett
war gerade dabei, sich das Haar zu machen. Sie
Weitere Kostenlose Bücher