Margaret Mitchell
das ist es«, sagte Mammy. »Miß Melly, wir sind alle in schweren
Sorgen, und ich wollte Sie zu Hilfe holen. Nichts wie schwere Lasten, Missis,
schwere Lasten!«
»Ist Miß
Scarlett zusammengebrochen?« fragte Melly ängstlich. »Ich habe sie kaum
gesehen, seitdem Bonnie ... sie war immer in ihrem Zimmer, und Kapitän Butler
war weg und ... «
Plötzlich
flossen Mammy die Tränen über das schwarze Gesicht. Melanie setzte sich zu ihr
und streichelte ihr den Arm, und bald hob auch Mammy den Saum ihres schwarzen
Rockes und trocknete sich die Augen.
»Sie
müssen uns zu Hilfe kommen, Miß Melly, ich habe getan, was ich konnte, aber es
hat nichts genützt.«
»Miß
Scarlett...?«
Mammy
richtete sich auf. »Miß Melly, Sie kennen Miß Scarlett so gut wie ich. Was das
Kind aushalten muß, dazu gibt der liebe Gott ihr auch die Kraft. Dies hat ihr
das Herz gebrochen, aber aushalten tut sie es. Ich komme wegen Mister Rhett.«
»Ich
wollte ihn ja so gern besuchen, aber jedesmal, wenn ich hinüberkam, war er
entweder in der Stadt oder hatte sich in seinem Zimmer eingeschlossen mit...
und Scarlett sah aus wie ein Geist und wollte nichts sagen ... Sprich rasch,
Mammy, du weißt ja, ich helfe euch, wenn ich kann.«
Mammy
wischte sich mit dem Handrücken die Nase.
»Ich sage
ja, Miß Scarlett hält schon aus, was der Herr ihr schickt, sie hat schon viel
ausgehalten. Aber Mister Rhett ... ach, Miß Melly, er hat nie etwas aushalten
müssen, was er nicht wollte, nie das geringste, und seinetwegen wollte ich Sie
sprechen ... «
»Aber ...
«
»Miß
Melly, Sie müssen heute abend mit nach Hause kommen.« Mammys Ton war drängend.
»Vielleicht hört Mister Rhett auf Sie. Er hat immer viel darauf gegeben, was
Sie sagten.«
»O Mammy,
was ist denn, was meinst du eigentlich?«
Mammy
straffte die Schultern.
»Miß
Melly, Mister Rhett hat ... hat den Verstand verloren. Wir sollen die kleine
Miß nicht wegbringen.«
»Den
Verstand verloren? Ach, Mammy, nein!«
»Das ist
wirklich wahr, Gott kann es bezeugen. Er will nicht erlauben, daß wir das Kind
begraben. Das hat er mir selbst gesagt, noch keine Stunde ist es her.«
»Aber er kann doch nicht ... er
ist doch nicht ... «
»Deshalb sage ich ja ... er hat
den Verstand verloren.«
»O mein Gott!«
»Miß
Melly, ich will Ihnen was erzählen. Eigentlich sollte ich es niemand erzählen,
aber Sie gehören doch zu unserer Familie und sind die aller-, allereinzigste,
der ich es erzählen kann. Sie wissen ja, wieviel er von dem Kind gehalten hat,
so etwas habe ich nie bei einem Manne gesehen, nicht bei einem weißen und nicht
bei einem schwarzen. Er sah aus, als würde er auf der Stelle wahnsinnig, als
Dr. Meade sagte, das Genick ist gebrochen, und er packte sein Gewehr und lief
hinaus und schoß das arme Pony tot, und bei Gott, ich dachte, sich selbst
wollte er auch totschießen, und es hat mich ganz verrückt gemacht, Miß Scarlett
und all die Nachbarn, die ein- und ausgingen, und Mister Rhett, der sich so
aufregte und immer nur das Kind festhielt und nicht einmal erlaubte, daß ich
ihm das kleine Gesicht wusch, wo der Kies es zerschunden hatte, und als Miß
Scarlett wieder zu sich kam, dachte ich, Gott sei Dank, nun können sie sich
gegenseitig trösten.«
Wieder
tropften Mammy Tränen herunter, aber diesmal wischte sie sie nicht mehr weg.
»Aber als
sie wieder zu sich kam, ging sie in das Zimmer, wo er mit Miß Bonnie im Arm
saß, und sagte zu ihm: >Gib mir mein Kind wieder, du hast es auf dem
Gewissen. <«
»Aber
nein! Das ist doch unmöglich!«
»Doch,
Missis, das hat sie gesagt. >Du hast es auf dem Gewissen<, hat sie
gesagt, und Mister Rhett tat mir leid, und ich fing an zu weinen, und er sah
aus wie ein geprügelter Hund, und ich habe gesagt: >Geben Sie das Kind
seiner Mammy, solche Wirtschaft um meine kleine Miß will ich nicht haben.<
Und ich habe ihm das Kind weggenommen und es in sein Zimmer gebracht, und ihm
das Gesicht gewaschen, und dann hörte ich sie reden, und beinahe ist mir das
Blut erstarrt bei solchen Worten. Miß Scarlett nannte ihn Mörder, weil er es
dem Kind erlaubt hatte, so hoch zu springen, und er sagte, Miß Scarlett hatte
Bonnie niemals liebgehabt und überhaupt keins von den Kindern ... «
»Hör auf,
Mammy! Erzähl mir nicht mehr. Es ist unrecht, daß du so redest!« fiel Melly ihr
ins Wort. Ihr graute vor dem Bilde, das Mammys Worte heraufbeschworen.
»Ich weiß
ja, das geht mich alles gar nichts an, und ich darf es Ihnen nicht sagen,
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