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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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die
fahrige kleine Ella. Wenn Gott ihr eins ihrer Kinder nehmen mußte, warum - ach,
warum konnte es dann nicht Ella sein? Ella war ihr kein Trost nach Bonnies
Hinscheiden. Aber Rhett wollte offenbar keine Kinder mehr haben. Wenigstens kam
er nie in ihr Schlafzimmer, obwohl die Tür nicht mehr abgeschlossen war,
sondern meist sogar einladend offenstand. Ihm war wohl nicht daran gelegen. Ihm
lag an nichts mehr als am Whisky und an jener rothaarigen Person.
    Sein
witziger Spott war bitter geworden, seine Ausfälle hatten etwas Unmenschliches,
seitdem der Humor sie nicht mehr milderte. Nach Bonnies Tode hatten viele Damen
aus der Bekanntschaft, deren Herz er durch sein reizendes Verhältnis zu seiner
Tochter gewonnen hatte, den Wunsch, ihm eine Freundlichkeit zu erweisen. Voller
Teilnahme redeten sie ihn auf der Straße an oder sagten ihm über ihre Hecke
hinweg, wie sie mit ihm empfänden. Aber mit Bonnie, der im Grunde all sein liebenswürdiges
Wesen gegolten hatte, waren auch seine guten Manieren wieder dahin. Schroff und
unhöflich ließ er die wohlmeinenden Damen mit ihrem Beileid stehen.
    Aber
seltsamerweise ließen sie sich dadurch nicht kränken. Sie verstanden ihn oder
glaubten, ihn zu verstehen. Wenn er in der Dämmerung so betrunken heimritt, daß
er sich kaum noch im Sattel hielt und jedem, der ihn ansprach, nur ein
finsteres Gesicht wies, sagten die Damen: »Armer Kerl« und verdoppelten ihre
Freundlichkeit und Güte ihm gegenüber. Er tat ihnen von Herzen leid, wie er da
völlig gebrochen nach Hause ritt, und zu Hause erwartete ihn Scarlett als
einziger Trost!
    Alle
wußten sie ja, wie kalt und herzlos sie war, und alle waren entgeistert, wie
leicht sie über Bonnies Tod hinwegzukommen schien. Welche Willensanstrengung es
sie aber kostete, diesen Schein zu wahren, danach fragte niemand. Für Rhett
hatte die ganze Stadt das wärmste Mitgefühl, und er gab nichts darum, ja, er
bemerkte es kaum. Für Scarlett aber empfand man nur Abneigung, und diesmal
hätte sie um das Mitgefühl ihrer alten Freunde viel gegeben.
    Keiner von
ihnen suchte sie mehr auf, außer Tante Pitty, Melanie und Ashley. Nur die
»neuen Leute« kamen in ihren glänzenden Equipagen vorgefahren, versicherten sie
angelegentlich ihres Mitgefühls und erzählten ihr, um sie auf andere Gedanken
zu bringen, Klatsch, der sie nicht im geringsten interessierte. Alle die »neuen
Leute« waren ihr von Herzen fremd. Sie kannte sie ja nicht und konnte sie auch
niemals kennenlernen. Von allem, was sie aber selber erlebt hatte, ehe sie sich
sicher und geborgen in ihrem fürstlichen Hause niederlassen konnte, hatten sie
keine Vorstellung; was sie aber selber erlebt hatten, ehe sie sich, angetan mit
steifem Brokat, von schönen Pferden in ihrer eleganten Chaise spazierenfahren
ließen, davon sprachen sie nicht gern. Sie wußten nichts von Scarletts Kämpfen
und Entbehrungen, nichts von all dem Schweren, womit das prächtige Haus und die
schönen Kleider, das kostbare Silber und die glänzenden Gesellschaften erkauft
waren. Diese »neuen Leute« hatten keinen Begriff davon und fragten nicht
danach. Sie kamen von Gott weiß woher und lebten immer nur an der Oberfläche.
Keinerlei Erinnerung an Krieg, Hunger und Daseinskampf hatte Scarlett mit ihnen
gemein - auch nicht die rote Heimaterde, in der sie wurzelte.
    Gern hätte
sie jetzt in ihrer Einsamkeit die Nachmittage mit Maybelle und Fanny, mit Mrs.
Elsing und Mrs. Whiting, ja sogar mit der herrschgewaltigen Mrs. Merriwether
verplaudert - mit jeder beliebigen nachbarlichen Freundin von ehedem. Sie waren
ja mit allem vertraut, was sie selbst durchgemacht hatte. Krieg, Feuersbrunst
und Entsetzen hatten sie miterlebt und den vorzeitigen Tod geliebter Angehöriger.
Sie waren in Lumpen gegangen, hatten gehungert und den Wolf vor der Tür lauem
sehen. Sie hatten sich alle aus Trümmern ihr Leben neu erbaut.
    Tröstlich
wäre es, sich mit Maybelle zu unterhalten. Auch sie hatte ein kleines Kind
begraben, das ihr auf der Flucht vor Sherman gestorben war. Fannys Gesellschaft
täte ihr wohl, auch sie hatte in den schwarzen Tagen des Kriegsrechts ihren
Mann verloren. Und welch grimmiges Vergnügen wäre es, mit Mrs. Elsing zusammen
über alte Erinnerungen zu lachen - über das Gesicht, mit dem sie damals auf ihr
Pferd einhieb, als sie am Tage von Atlantas Fall durch Five Points galoppierte
und alles, was sie an Vorräten glücklich erbeutet hatte, ihr aus dem Wagen
polterte. Schön wäre es, mit Mrs. Merriwether, die

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