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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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sie einmal zusammen beim Abendessen, so war er
meistens betrunken, aber anders als früher. Ehedem war sein Wesen unter dem
Alkohol immer noch schärfer und bissiger geworden, er hatte von boshaften,
witzigen Bemerkungen gesprüht, über die sie wider Willen hatte lachen müssen.
Jetzt war er unwirsch und stumm und betrank sich oft im Laufe des Abends bis
zur Sinnlosigkeit. Manchmal hörte sie ihn im Morgengrauen zum Hintergarten
hereinreiten und bei den Dienstboten anklopfen, damit Pork ihm die Hintertreppe
hinaufhelfe und ihn zu Bett bringe. Ihn zu Bett bringen, Rhett Butler, der ohne
mit der Wimper zu zucken alle anderen immer unter den Tisch getrunken und dann
ins Bett gepackt hatte!
    Er war
jetzt nachlässig in seinem Äußeren und durchaus nicht mehr elegant und gepflegt
wie früher. Der entsetzte Pork mußte ihm jedesmal kräftig zureden, ehe er sich
zum Abendessen ein reines Hemd anzog. Der Whisky verriet sich auch in seinen
Zügen. Eine ungesunde Gedunsenheit verwischte die harten Linien seines
scharfgeschnittenen Kinns, und unter seinen blutunterlaufenen Augen hingen
schwere Tränensäcke. Der große Körper mit den festen Muskeln wurde schlaff und
weich und zeigte Ansätze zur Beleibtheit.
    Oftmals
kam er überhaupt nicht nach Hause oder schickte gar Bescheid, er werde auswärts
übernachten. Natürlich war es möglich, daß er irgendwo betrunken in einer
Kneipe schnarchte, aber Scarlett war immer überzeugt, er halte sich bei Belle
Watling auf. Einmal war sie Belle in einem Laden begegnet. Sie war jetzt eine
verwelkte, vulgär aussehende Frau, von deren Schönheit nicht mehr viel übrig
war. Dennoch hatte sie unter ihrer Schminke und all ihrem Putz etwas
Kerngesundes und fast Mütterliches. Anstatt die Augen niederzuschlagen oder aber
sie frech anzugaffen, wie andere lockere Frauenzimmer es taten, wenn sie einer
Dame begegneten, erwiderte Belle nur einfach und ruhig ihren musternden Blick.
Still und fast mitleidig prüfend sah sie sie an, und Scarlett mußte erröten.
    Aber zum
Schimpfen und Schelten, zu Forderungen und Vorwürfen konnte sie sich jetzt
ebensowenig entschließen wie zu der Bitte um Verzeihung für das Unrecht, das
sie ihm bei Bonnies Tod angetan hatte. Etwas wie ein tatenloses, verstörtes
Staunen hielt sie im Bann, das ihr selbst unbegreiflich war und sie so
unglücklich machte, wie sie sich noch nie gefühlt hatte, so einsam, wie sie
noch nie gewesen war. Vielleicht hatte sie bis jetzt nie die Zeit gehabt, ganz
einsam zu sein. Nun war sie einsam und fürchtete sich. Sie hatte niemanden, zu
dem sie gehen konnte, niemanden außer Melanie. Sogar Mammy, ihr Stab und ihre
Stütze, war für immer nach Tara zurückgekehrt.
    Mammy
hatte für ihre Abreise keine deutliche Erklärung gegeben. Traurig hatte sie
Scarlett aus ihren müden alten Auge angeblickt, als sie um das Reisegeld bat,
und hatte auf Scarletts Fragen und Tränen nur die eine Antwort gehabt: »Mir
ist, als sagte Miß Ellen zu mir: >Mammy, komm nach Hause, deine Arbeit ist
getan.< Darum will ich nun nach Hause gehen.«
    Rhett
hatte diesem Gespräch zugehört, er hatte Mammy das Geld gegeben und ihr den Arm
gestreichelt.
    »Du hast
recht, Mammy. Miß Ellen hat ganz recht. Du hast deine Arbeit hier getan. Geh
nach Hause und gib mir Bescheid, wenn du irgend etwas brauchst.« Als Scarlett
sie von neuem ausfragen wollte, fiel er ihr ins Wort: »Du verstehst das nicht.
Halt' sie nicht. Wie sollte denn jetzt ein Mensch noch in diesem Hause bleiben
mögen?«
    Seine
Augen flackerten dabei so grell und wild, daß Scarlett erschrocken zurückfuhr.
    »Dr.
Meade, wäre es möglich, daß er ... daß er den Verstand verloren hat?« fragte
sie den Arzt, als ihre Ratlosigkeit sie dorthin getrieben hatte.
    »Nein«,
erwiderte der Doktor, »aber er säuft wie ein Schlauch, und er wird sich zu Tode
saufen, wenn es so weitergeht. Er hat das Kind liebgehabt, Scarlett, und möchte
wohl gern vergessen. Ich rate Ihnen gut, Scarlett, schenken Sie ihm wieder ein
Kind, so bald wie möglich.«
    »Ach«,
dachte Scarlett erbittert, als sie das Sprechzimmer verließ, »das ist leichter
gesagt als getan.« Gern hätte sie noch ein Kind gehabt, noch mehrere Kinder,
wenn sie damit Rhetts Augen ihr unheimliches Flackern nehmen und die
schmerzliche Leere ihres eigenen Herzens ausfüllen könnte. Einen Jungen von
Rhetts dunkler männlicher Schönheit und ein kleines Mädchen, ach noch ein
kleines Mädchen, hübsch und lustig, voll fröhlichen Trotzes, nicht wie

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