Margaret Mitchell
und errötete,
dann sah er ihren Blick auf seiner Schwester ruhen und wurde wieder froh.
Scarlett fürchtete, jemand möchte seine Worte vernehmen. Natürlich war sie
verlegen und in Todesangst, belauscht zu werden. Charles fühlte eine
Männlichkeit in sich aufwallen, wie er sie noch nie gespürt hatte. Er hatte ein
Mädchen in Verlegenheit gebracht. Das war berauschend, und er suchte seinem
Gesicht einen unbekümmerten Ausdruck zu geben und erwiderte vorsichtig
Scarletts Händedruck, um zu zeigen, daß er ein Mann von Welt sei und ihre
Bedenken verstünde.
Sie fühlte
es nicht einmal, denn deutlich hörte sie jetzt Melanies süße Stimme, die ihr
höchster Zauber war: »Ich fürchte, über Mr. Thackerays Werke bin ich anderer
Meinung als du. Er ist ein Zyniker. Ich glaube, er ist weniger Gentleman als
Mr. Dickens.«
Wie kann
man nur so etwas Albernes sagen! Scarlett hätte vor Erleichterung lachen mögen.
Sie ist eben doch ein Blaustrumpf, und was Männer von einem Blaustrumpf denken,
weiß ja jeder. Das Interesse eines Mannes kann man doch nur dadurch wecken, daß
man von ihm spricht und allmählich die Unterhaltung auf sich selber lenkt.
Hätte Melanie gesagt: »Du bist doch fabelhaft!« oder »Wie du nur auf solche
Gedanken kommst! Mein dummer Kopf würde platzen, schon allein bei dem Versuch,
über so etwas nachzudenken!« - dann hätte Scarlett Grund gehabt, sich zu
ängstigen. Nun fühlte sie ihre Aussichten so sehr steigen, daß sie Charles ein
strahlendes Gesicht zuwandte und vor Freude lächelte. Dieser Beweis ihrer
Zuneigung beseligte ihn. Er griff nach ihrem Fächer und fächelte sie so
stürmisch, daß ihr Haar in Unordnung geriet.
»Ashley,
wie denkst du darüber?« klang es aus der Gruppe der erhitzten Männer heraus. Er
stand auf und entschuldigte sich. Keiner von den anderen sieht doch so gut aus,
dachte Scarlett, als sie sah, wie gut ihm seine lässige Bewegung stand. Sogar
die älteren Männer hielten inne, um ihm zuzuhören.
»Nun,
meine Herren, wenn Georgia kämpft, gehe ich mit. Warum wäre ich sonst in die
Truppe eingetreten?« sagte er, die grauen Augen weit geöffnet. Alles Verträumte
war daraus verschwunden, und eine Spannkraft lag darin, wie Scarlett sie nie
zuvor an ihm wahrgenommen hatte. »Aber ich hoffe wie Vater, daß es nicht zum
Kampf kommt und die Yankees uns in Frieden lassen ... « Er hob lächelnd die
Hand, als die Fontaines und Tarletons durcheinanderzureden begannen wie weiland
die Leute beim Turmbau zu Babel. »Ja, ja, ich weiß, wir sind beleidigt und
betrogen worden. Hätten wir aber in der Haut der Yankees gesteckt und wollten
sie sich ihrerseits von der Union lossagen, wie hätten wir uns dann wohl
verhalten? Ungefähr ebenso!«
»Das sieht
ihm wieder einmal ähnlich«, dachte Scarlett. »Immer muß er sich in die anderen
hineinversetzen.« Für sie hatte alles nur eine einzige Seite. Manchmal war
Ashley einfach unverständlich.
»Wir
wollen nicht so hitzköpfig sein und uns zum Krieg hinreißen lassen. Das meiste
Elend in der Welt ist vom Krieg gekommen. Und jedesmal, wenn ein Krieg
glücklich vorbei war, wußte niemand mehr so recht, um was es eigentlich
gegangen war.«
Scarlett
rümpfte die Nase. An Ashleys Mut zweifelte zum Glück niemand, sonst wäre die
Sache bedenklich gewesen. Schon erhob sich um ihn herum ein unwilliges,
gefährliches Lärmen leidenschaftlich widerstreitender Stimmen.
Auf dem
Rasenplatz unter den Bäumen stieß der taube alte Herr aus Fayetteville India
an. »Was geht da eigentlich vor? Worüber reden sie?«
Ȇber
Krieg!« trompetete ihm India durch die hohle Hand ins Ohr. »Sie wollen mit den
Yankees kämpfen!«
»Krieg,
sagen Sie?« Er suchte nach seinem Spazierstock und erhob sich mühsam aus seinem
Stuhl, aber mit so viel Energie, wie er seit Jahren nicht gezeigt hatte. »Ich
will ihnen sagen, was Krieg ist. Ich habe ihn mitgemacht.« Mr. McRae kam selten
dazu, vom Krieg zu erzählen, meistens brachten ihn seine Frauensleute vorzeitig
zum Schweigen. Eilig stapfte er auf die Gruppe zu und schwenkte mit erhobener
Stimme den Stock. Da er die anderen nicht hören konnte, war er bald
unbestrittener Herr des Schlachtfeldes.
»Ihr
jungen Eisenfresser, hört mich an. Wir wollen keinen Krieg. Ich war im Kriege
und weiß, wie das ist. Ich bin im Seminolenkrieg gewesen und war dumm genug,
auch noch in den mexikanischen zu gehen. Ihr meint, da reitet man ein hübsches
Pferd, die Mädchen streuen euch Blumen und ihr kommt als Held nach
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