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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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Hause. Nein,
meine Herren! Hunger hat man und bekommt Masern und Lungenentzündung, weil man
im feuchten Gras liegen muß. Und sind es nicht Masern und Lungenentzündung, so
ist es das Gedärm. Ja, meine Herren, was der Krieg einem da nicht alles antut
... Durchfall und so was ...«
    Die Damen
wurden rot bis unter die Haarwurzeln. Mr. McRae war das Überbleibsel eines
rauheren Zeitalters. »Hole rasch deinen Großvater«, zischte eine seiner Töchter
einem jungen Mädchen zu. »Wahrhaftig!« flüsterte sie den aufgeregten Matronen
um sie her zu, »jeden Tag wird es schlimmer mit ihm. Wollen Sie mir glauben,
heute morgen sagte er zu Mary - sie ist erst sechzehn -: >Nun, kleines
Fräulein ...<« Der Rest wurde noch leiser geflüstert, während die Enkelin sich
entfernte, um Mr. McRae auf seinen schattigen Platz zurückzuführen.
    Unter all
den aufgeregt lächelnden Mädchen und leidenschaftlich debattierenden Männern
war offenbar nur einer, der nicht aus der Ruhe zu bringen war. Scarlett sah
Rhett Butler an einen Baum gelehnt dastehen, die Hände tief in den Hosentaschen
vergraben. Seit Mr. Wilkes ihn verlassen hatte, war er allein und hatte, als
das Gespräch sich erhitzte, kein Wort mehr gesprochen. Unter dem kurz
geschnittenen schwarzen Schnurrbart verzogen sich spöttisch die roten Lippen,
ein Strahl belustigter Geringschätzung glomm in den schwarzen Augen, als höre
er prahlenden Kindern zu. Ein unangenehmes Lächeln, fand Scarlett. Er hörte
ruhig zu, bis Stuart Tarleton mit zerzaustem Haar und blitzenden Augen wiederholte:
»In einem Monat haben wir sie verprügelt! Gentlemen kämpfen immer besser als
der Pöbel. Ein Monat ... nein, eine einzige Schlacht ... «
    »Meine
Herren«, sagte Rhett Butler in der klingenden, verschliffenen Mundart von
Charleston, ohne sich aus seiner bequemen Haltung zu rühren oder die Hände aus
den Hosentaschen zu nehmen. »Darf ich ein Wort dazu sagen?« Sein Tonfall war
ebenso geringschätzig wie seine Blicke, aber verschleiert durch eine
Höflichkeit, mit der er sich gleichsam über sich selbst lustig machte. Man
wandte sich ihm mit jener Verbindlichkeit zu, die man immer für einen
Außenseiter bereit hatte.
    »Hat
irgendeiner der Herren schon einmal daran gedacht, daß es südlich der
Mason-Dixon-Linie keine einzige Waffenfabrik gibt und wie wenig Eisengießereien
wir hier im Süden haben? Wie wenig Wollspinnereien, Baumwollwebereien,
Gerbereien? Haben Sie daran gedacht, daß wir kein einziges Kriegsschiff haben
und daß die Yankeeflotte uns binnen einer Woche die Häfen sperren kann, so daß
wir unsere Baumwolle nicht mehr verschiffen können? Aber natürlich ... an all
das haben die Herren längst gedacht.«
    Der hält
wahrhaftig die Jungens für lauter Esel! Scarlett war empört. Das Blut stieg ihr
heiß in die Wangen. Mehrere junge Leute warfen das Kinn empor. John Wilkes kam
wie zufällig, aber eilig an seinen Platz neben dem Sprechenden zurück, als
wollte er den Anwesenden damit deutlich machen, daß dieser Mann sein Gast war,
und sie außerdem an die anwesenden Damen erinnern. »Das Schlimmste bei uns
Südstaatlern ist«, fuhr Rhett Butler fort, »daß die meisten nicht genug gereist
sind oder nicht genug aus ihren Reisen gelernt haben. Von Ihnen, meine Herren,
sind natürlich alle weit herumgekommen. Was aber haben Sie gesehen? Europa, New
York, Philadelphia, und die Damen waren natürlich in Saratoga.« Er machte eine
leichte Verbeugung nach der Damengruppe unter den Bäumen. »Sie haben die Hotels
und die Museen, die Bälle und die Spielbank gesehen. Und dann sind Sie mit der
Überzeugung nach Hause gekommen, so schön wie hier im. Süden sei es doch
nirgends auf der Welt. Was mich betrifft ich bin zwar in Charleston geboren,
habe aber die letzten Jahre im Norden verbracht.« Ein Lächeln entblößte seine
weißen Zähne, als wäre es ihm wohlbekannt, daß alle Anwesenden seine Geschichte
wüßten, und als machte er sich nicht das geringste daraus. »Ich habe vieles
gesehen, was Sie alle nicht gesehen haben. Die Tausende von Einwanderern, die
gern gegen freie Beköstigung und ein paar Dollar Sold für die Yankees fechten
würden, die Fabriken, die Gießereien, die Werften, die Bergwerke ... all das,
was wir nicht haben. Wir haben ja nur unsere Baumwolle, unsere Sklaven und
unseren Hochmut. Die werden in einem Monat mit uns fertig.«
    Einen
gespannten Augenblick lang herrschte Schweigen. Rhett Butler zog ein feines
Leinentaschentuch hervor und stäubte sich

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