Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
Vom Netzwerk:
Wie
unaussprechlich lieb stand er da mit seinen lächelnden Augen; wie aufgeregt sie
war! Sie konnte nicht sprechen, sie streckte nur die Hand aus und zog ihn
herein. Er trat ein, erstaunt, aber voller Neugierde. In ihrer Erscheinung lag
etwas Gespanntes, in ihren Augen eine Glut, wie er sie nie an ihr gesehen
hatte, und sogar in dem gedämpften Licht war die Röte ihrer Wangen sichtbar.
Unwillkürlich schloß er die Tür hinter sich und faßte ihre Hand.
    »Was ist?«
fragte er fast flüsternd.
    Als seine
Hand sie berührte, erbebte sie. Jetzt würde es geschehen, genau wie sie es sich
erträumt hatte. Tausend zusammenhanglose Gedanken schossen ihr durch den Sinn,
nicht einen davon konnte sie fassen und in Worte kleiden. Sie konnte nur bebend
zu ihm aufblicken. Warum sagte er nichts?
    »Was ist?«
wiederholte er. »Willst du mir ein Geheimnis sagen?«
    Plötzlich
hatte sie ihre Sprache wiedergefunden, und ebenso plötzlich fiel Ellens
jahrelange Erziehung von ihr ab, und Geralds irisches Blut brach ohne Hemmung
aus ihr hervor.
    »Ja ...
ein Geheimnis. Ich liebe dich.«
    Einen
Augenblick war es so überwältigend still zwischen ihnen, als hätten beide
aufgehört zu atmen. Dann kam ihr zitterndes Wesen zur Ruhe, und Glück und Stolz
erfüllten sie ganz. Warum hatte sie das nicht eher getan? Wieviel einfacher war
dies als all die damenhaften Winkelzüge, die man sie gelehrt hatte. Und nun
suchten ihre Augen die seinen.
    Seine
Augen waren bestürzt, ungläubig und ... was noch? So hatte Gerald geblickt an
dem Tage, da sein Lieblingspferd sich das Bein gebrochen hatte und er es
erschießen mußte. Warum kam ihr das jetzt in den Sinn? Ein dummer Gedanke!
Warum sah Ashley so sonderbar aus und sagte nichts? Dann fiel etwas wie eine
Maske über sein Gesicht. Er lächelte galant.
    »Genügt es
dir denn nicht, jedes andern Mannes Herz heute gewonnen zu haben?« sagte er in
dem alten, zärtlichen Neckton. »Nun, mein Herz hat dir immer gehört, das weißt
du. Du hast dir die Zähne daran gewetzt.«
    Da ging
etwas verkehrt ... ganz verkehrt! So war es nicht geplant. Aus dem tollen
Gedankensturm in ihrem Hirn begann eine Vorstellung Gestalt zu gewinnen.
Irgendwie ... aus irgendeinem Grunde ... handelte Ashley so, als dächte er, sie
wollte nur mit ihm spielen. Dabei wußte er, daß das nicht der Fall war. Darüber
täuschte sie sich nicht.
    »Ashley
... Ashley ... sag mir ... du mußt ... ah, neck mich jetzt nicht! Gehört mir
dein Herz? Ach Liebster, ich liebe ... «
    Rasch fuhr
er ihr mit der Hand über die Lippen, die Maske war verschwunden.
    »So etwas
darfst du nicht sagen! Nein, das darfst du nicht, Scarlett! Du meinst es auch
gar nicht so. Du wirst dir nie verzeihen, daß du es gesagt hast, und mir nicht,
daß ich es gehört habe.«
    Heftig
zuckte sie mit dem Kopf zurück. Ein heißer Strom jagte durch sie hin.
    »Dir habe
ich nie etwas zu verzeihen. Ich sage dir, ich liebe dich, und ich weiß, auch du
mußt mich gern haben, weil ... « Sie hielt inne. Nie vorher hatte sie solches
Elend in einem Gesicht gesehen. »Ashley, du hast mich lieb ... ja, nicht wahr?«
    »Ja«,
sagte er dumpf, »ich habe dich lieb.«
    Hätte er
gesagt, er hasse sie, sie hätte sich nicht mehr erschrecken können. Wortlos
zupfte sie ihm am Ärmel.
    »Scarlett«,
sagte er, »laß uns hinausgehen und vergessen, daß wir je so etwas zueinander
gesprochen haben.«
    »Nein«,
flüsterte sie, »ich kann nicht. Was meinst du damit? Willst du mich denn nicht
... heiraten?«
    Er
erwiderte: »Ich heirate Melanie.«
    Da merkte
sie auf einmal, daß sie auf dem niedrigen Samtsessel saß und Ashley auf dem
Schemel zu ihren Füßen. Ihre beiden Hände hielt er ganz fest in den seinen. Er
sagte allerlei - sie konnte keinen Sinn darin finden. Ihr Hirn war leer,
verschwunden waren alle Gedanken, die es eben noch durchzogen hatten, seine
Worte machten nicht mehr Eindruck als Regentropfen auf einer Fensterscheibe.
Sie schlugen an taube Ohren, eindringliche, zärtliche Worte, Worte des
Mitleids, wie sie ein Vater zu einem Kinde spricht, wenn es sich weh getan hat.
    Der Klang
von Melanies Namen rief sie ins Bewußtsein zurück. Sie blickte in seine
kristallgrauen Augen. In ihnen lag wieder jene Ferne, die sie von jeher
verwirrt hatte - dazu ein Ausdruck, als hasse er sich selber.
    »Vater
will die Verlobung heute abend verkünden. Wir heiraten bald. Ich härte es dir
sagen sollen, aber ich dachte, du wüßtest es. Ich dachte, jeder wüßte es seit
Jahren. Mir ist es

Weitere Kostenlose Bücher