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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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die meisten waren ihr völlig unbekannt. Pittypat hatte anscheinend
ihre Ankunft überall angekündigt. Immer wieder mußte sie den kleinen Wade in
die Höhe halten, damit Damen, die sich durch den Straßenschlamm bis zu den
Prellsteinen vorwagten, ihn bewundern konnten. Jede rief Scarlett zu, sie dürfe
nur in ihren Strickund Nähzirkel, nur in ihr Lazarettkomitee eintreten, und
unbekümmert sagte sie nach rechts und nach links zu.
    Als sie an
einem weitläufigen grünen Fachwerkhaus vorbeikamen, rief ein kleines schwarzes
Mädel: »Da kommt sie!«, und Dr. Meade, seine Frau und der kleine
dreizehnjährige Phil kamen heraus und begrüßten sie. Scarlett erinnerte sich
daran, sie auch auf ihrer Hochzeit gesehen zu haben. Mrs. Meade trat auf den
Prellstein ihres Hauses und reckte den Hals, um das Baby zu sehen. Aber der
Doktor achtete nicht auf den Schmutz und stapfte bis an den Wagen heran. Er war
groß und hager und hatte einen eisgrauen Spitzbart, die Kleidungsstücke hingen
an seiner dürren Gestalt, als habe ein Orkan sie darangeweht. Atlanta betrachtete
ihn als die Wurzel aller Kraft und aller Weisheit, und es war nicht zu
verwundern, daß etwas von dem allgemeinen Glauben in ihn selbst übergegangen
war. Aber bei all seinen Orakelsprüchen und seiner etwas pathetischen Art war
er einer der gütigsten Männer der Stadt.
    Nachdem er
Scarlett die Hand geschüttelt und Wade die Wange gestreichelt hatte, verkündete
er, Tante Pittypat habe ihm unter Eid versprochen, daß Scarlett keinem anderen
Lazarett und keinem anderen Verbandzeugkomitee angehören dürfe als dem von Mrs.
Meade.
    »O je, das
habe ich doch schon tausend Damen versprochen!« sagte Scarlett.
    »Natürlich
auch Mrs. Merriwether! Das verflixte Frauenzimmer läuft ja wohl an jeden Zug!«
    »Ich habe
es ihr versprochen, weil ich keine Ahnung hatte, was das alles bedeutet«,
gestand Scarlett. »Was sind denn überhaupt Lazarettkomitees?«
    Der Doktor
und seine Frau waren beide über ihre Unwissenheit befremdet.
    »Nun ja,
Sie sind natürlich auf dem Lande vergraben gewesen und können es nicht wissen«,
entschuldigte Mrs. Meade sie. »Wir haben Pflegekomitees für verschiedene
Lazarette und für verschiedene Arbeitstage. Wir pflegen die Verwundeten, wir
helfen den Ärzten und nähen Bandagen und Anzüge, und wenn die Leute so weit
wiederhergestellt sind, daß sie entlassen werden können, nehmen wir sie zu uns
ins Haus und pflegen sie so lange weiter, bis sie wieder an die Front können.
Wir sorgen auch für die Frauen und Kinder der mittellosen Verwundeten - einige
sind wahrhaftig noch elender als mittellos. Doktor Meade ist am Institutslazarett
tätig, für das auch mein Komitee arbeitet, und alle sagen, er sei großartig und
... «
    »Nun,
nun«, sagte der Doktor, »du darfst vor den Leuten nicht mit mir prahlen. Ich
kann ja nur so wenig tun, da du mich durchaus nicht an die Front lassen willst.«
    »Ich lasse
dich nicht? Ich?« Sie war empört. »Die Stadt läßt dich nicht, das weißt du sehr
gut. Denken Sie, Scarlett, als die Leute hörten, daß er als Militärarzt nach
Virginia wollte, haben alle Damen eine Bittschrift unterzeichnet, er möge
hierbleiben. Die Stadt ist es, die dich nicht entbehren kann.«
    »Nun, nun,
Mrs. Meade.« Der Doktor sonnte sich sichtlich in ihrem Lob. »Vielleicht haben
wir mit einem Jungen an der Front fürs erste genug getan.«
    »Nächstes
Jahr gehe ich ins Feld!« rief der kleine Phil voller Aufregung. »Als Trommler!
Ich lerne jetzt trommeln. Wollen Sie es hören? Ich hole rasch meine Trommel.«
    »Nein,
jetzt nicht«, sagte Mrs. Meade und zog ihn mit einem plötzlich gespannten
Gesichtsausdruck an sich. »Nächstes Jahr noch nicht, Liebling, vielleicht
übernächstes.«
    »Aber dann
ist der Krieg vorbei!« Ungeduldig riß der Kleine sich von ihr los. »Du hast es
mir doch versprochen.«
    Über
seinen Kopf hinweg sahen die Eltern einander ins Auge. Scarlett gewahrte den
Blick. Darcy Meade stand in Virginia, und um so fester klammerte sich die Liebe
der Eltern an den Kleinen, der noch im Hause war.
    Onkel
Peter räusperte sich. »Miß Pitty hatte ihren Zustand, als ich wegfuhr, und wenn
ich nicht bald wiederkomme, liegt sie ohnmächtig da.«
    »Auf
Wiedersehen, ich komme heute nachmittag hinüber!« rief Mrs. Meade ihnen nach.
»Und bestellen Sie Miß Pitty von mir, wenn Sie nicht in mein Komitee eintreten
- dann wehe ihr!«
    Der Wagen
glitt und rutschte die schmutzige Straße hinunter. Scarlett lehnte sich in

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