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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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eiserne Denkmäler gab es mehr auf den Plätzen von Atlanta. Sie
waren in die Schmelzkessel und Walzwerke gewandert.
    Die
Pfirsichstraße und ihre Nebenstraßen waren das Hauptquartier der verschiedenen
Heeresabteilungen. Die Requirierungsbehörde, der Nachrichtendienst, die
Feldpost, das Eisenbahntransportwesen, der Generalprofos hatten hier ihre Stätte.
In allen Gebäuden wimmelte es von Leuten in Uniform. Draußen im Weichbilde der
Stadt waren die Remonten untergebracht, Pferde und Maultiere in großen Hürden;
an Seitenstraßen lagen die Lazarette. Als Onkel Peter ihr von diesen erzählte,
hatte Scarlett fast das Gefühl, Atlanta wäre eine wahre Krankenstadt, so
zahllos waren die Lazarette für Verwundete, für Infektionskranke, für
Genesende, und täglich spien die Züge neue Kranke und Verwundete aus.
    Der
Anblick all der Geschäftigkeit benahm Scarlett, die frisch aus ihrer ländlichen
Ruhe kam, fast den Atem. Aber sie sah es gern, fast meinte sie zu fühlen, wie
der gleichmäßig rasche Puls der Stadt mit dem ihren zusammenschlug. Während der
Wagen sich langsam auf der Hauptstraße seinen Weg suchte, nahm sie all die
neuen Eindrücke interessiert in sich auf. Auf den Fußwegen drängten sich die
Männer in Uniform mit den Abzeichen aller Dienstgrade und aller
Waffengattungen. Die schmale Straße war von Fuhrwerken verstopft. Kuriere in
Grau sprengten von einem Hauptquartier zum andern und brachten Befehle und
Depeschen. Verwundete humpelten auf Krücken, von besorgten Frauen am Ellbogen
gestützt. Von dem Exerzierplatz, wo man Rekruten drillte, schallten
Hornsignale, Trommelschlag und helle Kommandos. Scarlett stieg das Herz in die
Kehle, als sie zum ersten Male die Uniform der Yankees erblickte. Onkel Peter
zeigte mit der Peitsche auf einen Trupp abgerissen aussehender Blauröcke, die
von einer Abteilung mit aufgepflanztem Bajonette zum Bahnhof getrieben wurden,
um ins Gefangenenlager abtransportiert zu werden.
    Zum ersten
Male seit dem Tage jenes Gartenfestes verspürte Scarlett eine frohe Wallung.
Immer noch verstärkte sich der Eindruck der Lebendigkeit in dieser Stadt. Neue
Bars waren zu Dutzenden wie aus dem Boden gesprossen. Dirnen, die dem Heer
folgten, zogen durch die Stadt, und zur Entrüstung der Kirchenleute wimmelte es
in den Bordellen von Frauen. Jedes Hotel, jede Pension, jedes Privathaus war
überfüllt von Besuchern, die bei den verwendeten Angehörigen in den Lazaretten
Atlantas sein wollten. Jede Woche gab es Gesellschaften, Bälle, Basare, dazu
Kriegstrauungen ohne Zahl. Der beurlaubte Bräutigam in goldbetreßtem Hellgrau,
die Braut in hereingeschmuggeltem Putz, in den Kirchen gekreuzte Degen, zu den
Tischreden geschmuggelter Sekt und dann tränenreicher Abschied.
    Nachts
schurrte es in den baumbepflanzten Straßen von tanzenden Füßen, aus den Salons
tönte der helle Klang des Klaviers, Sopranund Soldatenstimmen mischten sich zu
den schwermütigen Balladen »Die Hörner tönten Waffenruh« oder »Wohl kam dein
Brief, doch ach, er kam zu spät«. Sanfte Augen, die Tränen echten Kummers noch
nie gekannt, wurden feucht.
    Scarlett
stellte Frage auf Frage, und Onkel Peter gab Antwort, stolz, seine Kenntnisse
zum besten geben zu können, und wies mit der Peitsche hierhin und dorthin.
    »Das ist
das Arsenal. Ja, gnädige Miß Scarlett, da bewahren sie die Kanonen und all so
was auf. Nein, gnädige Miß Scarlett, das sind keine Lädchen, das sind
Blockadebüros. Aber, gnädige Miß Scarlett, wissen Sie denn nicht, was
Blockadebüros sind? Das sind die Büros, wo die Fremden wohnen, die uns die
Baumwolle abkaufen und sie nach Charleston und Wilmington verschiffen und dafür
Pulver zurückbringen. Nein, ich weiß nicht genau, was für eine Sorte Fremder das
ist. Miß Pitty sagt, daß es Engländer sind, aber kein Mensch versteht ein Wort
von dem, was sie sagen. Ja, es ist furchtbar rauchig, der Ruß verdirbt Miß
Pittys Seidenvorhänge ganz und gar, der kommt aus der Gießerei und dem
Walzwerk. Und was die nachts für einen Lärm machen! Kein Mensch kann dabei
schlafen. Nein, gnädige Miß Scarlett, ich kann bestimmt nicht halten, ich habe
Miß Pitty versprochen, Sie auf dem kürzesten Wege nach Hause zu bringen. Miß
Scarlett, Sie müssen wiedergrüßen. Da kommen Miß Merriwether und Miß Elsing und
grüßen uns.«
    Scarlett
entsann sich dunkel der beiden Damen, die aus Atlanta nach Tara zu ihrer
Hochzeit gekommen waren. Es waren Miß Pittypats beste Freundinnen. Sie wandte
sich rasch um,

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