Margaret Mitchell
Präsident
Davis und Georgias eigenem »Little-Alec« Stephens, dem Vizepräsidenten der
Konföderierten Staaten. Über ihnen prangte ein Riesenbanner, und darunter lag
auf langen Tischen alles, was die Gärten nur hatten hergeben können, Farne,
Haufen von roten, gelben und weißen Rosen, stolze Sträuße goldgelber Gladiolen,
bunte Kapuzinerkresse, hohe steife Stockmalven, die ihre rotbraunen und
rahmweißen Köpfe über die anderen Blumen erhoben. Dazwischen brannten helle
Kerzen wie auf einem Altar. Die beiden Gesichter blickten von den Bildern auf
das Schauspiel herab. Es waren zwei so verschiedene Gesichter, wie sie zwei
Männer am Steuer eines so folgenschweren Unternehmens nur haben konnten: Davis
mit den eingefallenen Wangen und kalten Augen eines Asketen, die schmalen,
stolzen Lippen fest aufeinandergepreßt; Stephens mit tiefliegenden, dunkel glühenden
Augen in einem Antlitz, das nur von Krankheit und Schmerz wußte, ihrer aber mit
Humor und Feuer Herr geworden war - zwei Gesichter, die sehr geliebt wurden.
Nun kamen die ältlichen Komiteedamen, in deren Händen die ganze Verantwortung
für die Veranstaltung ruhte, wie mit vollen Segeln hereingerauscht und trieben
die verspäteten jungen Frauen und kichernden Mädchen auf ihre Plätze in den
Buden, dann wogten sie durch die Türen in die hinteren Räume, wo die
Erfrischungen angerichtet wurden - Tante Pitty keuchend hinter ihnen her. Die
Musikanten kletterten auf ihr Podium, eine schwarze grinsende Gesellschaft, die
fetten Gesichter glänzten schon von Schweiß. Sie begannen ihre Geigen zu
stimmen und strichen und lärmten mit ihren Bogen im Vorgefühl ihrer Wichtigkeit.
Der alte Levi, Mrs. Merriwethers Kutscher, der seit der Zeit, da Atlanta noch
Marthasville hieß, auf jedem Basar und auf jedem Ball das Orchester dirigierte,
klopfte geräuschvoll mit dem Bogen, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
Aller Augen wendeten sich ihm zu. Dann fingen die Geigen, Bratschen, Akkordeons
und Banjos unter Begleitung der Schlagzeuge an, »Lorena« zu spielen, vorerst
noch zum Tanzen zu langsam. Der Tanz sollte erst später beginnen, wenn die
Buden leergekauft waren. Scarlett schlug das Herz rascher, als die süße
Schwermut des Walzers an ihr Ohr klang:
»Langsam
schwinden die Jahre, Lorena!
Auf den
Feldern liegt wieder der Schnee.
Schon tief
steht die Sonne am Himmel, Lorena ...!«
Eins,
zwei, drei; eins, zwei, drei; tiefe Verbeugung und drehen drei; eins, zwei,
drei. Was für ein herrlicher Walzer! Sie breitete die Arme aus, schloß die
Augen und wiegte sich in dem traurigen Rhythmus, der einen nicht wieder
losließ. In der schwermütigen Melodie von Lorenas verlorener Liebe lag etwas,
was sich mit ihrer eigenen Erregung verschmolz und ihr beklemmend in die Kehle
stieg.
Dann
drangen, als hätte die Walzermusik sie hereingeholt, Klänge von der schattigen,
mondbeschienenen Straße herauf: Pferdegetrappel und Wagenrollen, getragen von
der warmen, lieblichen Luft, viel frohes Gelächter, Negerstimmen in ihrer
eigentümlich weichen Schärfe, die sich um die Plätze zum Anbinden der Pferde
stritten. Von der Treppe her hörte man die frischen Stimmen der Mädchen, die
sich mit den Bässen ihrer Begleiter vermischten, muntere Ausrufe der Begrüßung
und des freudigen Wiedererkennens. Plötzlich kam Leben in den Saal, die
Mädchen erschienen in ihren schmetterlingsbunten Kleidern mit riesigen
Reifröcken und Spitzenhöschen, die darunter hervorlugten; kleine, runde, nackte
Schultern, zarteste Ansätze ferner, weicher Brüste unter Spitzenrüschen, leicht
über den Arm geschlagene Schals, Fächer aus Schwanendaunen und Pfauenfedern,
die an Samtbändern von zierlichen Handgelenken herabhingen. Mädchen mit schlicht
über den Ohren zurückgestrichenen Haaren, die hinten zu so schweren Knoten
geschlungen waren, daß die Köpfe sich in herrischer Gebärde zurückbogen,
Mädchen mit blonden Locken um schlanke Nacken und schweren goldenen Ohrgehängen
dazwischen. Geschmuggelte Seiden, Spitzen, Borten und Schleifen, alles um so
stolzer getragen, als es den Yankees zum Hohn die Blockade durchbrochen hatte.
Nicht alle
Blumen der Stadt waren den beiden Führern der Konföderierten Staaten als Tribut
dargebracht worden. Mit den allerfeinsten, allerduftigsten Blüten waren diese
jungen Mädchen geschmückt. Teerosen staken hinter rosigen Ohren, Jasmin und
Rosenknospen hingen in kleinen Girlanden über fallenden Seidenlocken. Blüten
wurden sittsam in
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