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MargeritenEngel (German Edition)

MargeritenEngel (German Edition)

Titel: MargeritenEngel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karo Stein
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he-runter und dreht sich zur Seite.
    »Keinen Kuss?«, frage ich enttäuscht.
    Er hebt den Kopf. Ich beuge mir vor und drücke meinen Mund auf seinen. Als ich meine Zunge über seine Lippen gleiten lasse, zieht sich Kevin zurück.
    Mein Gefühl hat mich nicht getäuscht. Es ist noch nicht vorbei. Trotzdem sage ich nichts dazu, sondern stehe auf und schleppe mich ins Bad. Ich bin viel zu aufgewühlt, um zu schlafen, also stelle ich mich unter die Dusche.
     
    ***
     
    Nachdem ich jede Position mindestens ein dutzend Mal ausprobiert habe und der Schlaf sich einfach nicht einstellen will, stehe ich vorsichtig auf. Kevin schnarcht leise neben mir. Normalerweise beruhigt es mich, neben ihm zu liegen und seinen Geräuschen zu lauschen. Aber heute wühlt es mich nur noch mehr auf. Meine Gedanken ziehen wilde Kreise in meinem Kopf. Ich komme einfach nicht runter.
    Langsam taste ich mich durch die Dunkelheit zur Tür und öffne sie. Bevor ich hinausgehe, sehe ich noch einmal zurück zum Bett. Ich kann nur Kevins Umrisse erkennen. Er liegt auf der Seite, von mir abgewandt. Als ich aus der Dusche gekommen bin, hat er bereits geschlafen. Ich habe gehofft, dass wir noch ein wenig kuscheln würden.
    In meinem Bauch tobt ein Feuersturm. Er verbrennt mir die Eingeweide, mein Herz schmerzt. Panik und Verlustängste machen sich in mir breit. Keine Chance auf Schlaf und kein Kevin, der mich beruhigt.
    Wehmütig schließe ich die Tür und gehe im Dunklen durch den Flur Richtung Wohnzimmer. Auch dort lasse ich das Licht aus, setze mich auf die Couch und werfe mir eine Decke über.
    Ich sehe zum Fenster. Tausende Sterne funkeln am wolkenlosen Himmel. Der sichelförmige Mond kommt mir unglaublich hell vor und sorgt für einen Hauch Licht im Zimmer.
    Ich lasse meinen Blick durch den Raum gleiten. Die Regale sind vollgestopft mit DVDs. Kevin schleppt andauernd neue an, dabei guckt er sie so gut wie nie. Ich dagegen habe die meisten bereits gesehen. Was die Frage aufwirft, ob ich zu viel Zeit habe. Vielleicht...
    Mein Leben besteht eigentlich nur noch aus Arbeit und nach Hause kommen. Manchmal unternehmen wir am Wochenende etwas gemeinsam, gehen mal in die WunderBar oder in die Sauna. Aber meistens bin ich allein zu Hause, weil Kevin dauernd in dieser Videothek rumhängt.
    Für mich ist das keine richtige Arbeit, eher ein schlechtbezahlter Nebenjob. Ich habe schon oft versucht, ihn davon zu überzeugen, dass es bestimmt etwas Besseres für ihn gibt. Meist endet so eine Diskussion wie jede andere auch: Kevin fühlt sich angegriffen, zieht sich zurück und verschwindet. Nein, er haut nicht immer ab, es reicht auch, wenn er mit dem Laptop ins Schlafzimmer geht und durchs Internet surft.
    Das beunruhigt mich am meisten, denn im Gegensatz zu mir ist er in diversen sozialen Netzwerken angemeldet. Es ist nicht besonders schwierig, dabei neue Kontakte zu knüpfen und andere Männer kennenzulernen. Tatsache ist, dass ich keine Ahnung habe, was er treibt, während ich arbeite.
    Natürlich habe ich schon einige Male versucht, mir seine diversen Profile anzusehen, aber er ist da sehr geheimnisvoll und ändert dauernd die Passwörter. Manchmal machen mich seine Heimlichkeiten so wütend. Ich habe keine Geheimnisse vor ihm. Ich weiß, dass er mein Handy kontrolliert, dass er meine Anrufe annimmt, wenn ich nicht da bin. Es stört mich nicht, denn ich habe vor ihm nichts zu verbergen.
    Die Umrisse der Bilderrahmen zeichnen sich gegen die Dunkelheit ab. Ich mag Fotos. Ich fotografiere auch gern. Zu meinem achtzehnten Geburtstag hat mir meine Oma eine Kamera geschenkt. Das war das beste Geschenk, das ich jemals bekommen habe. Einen Monat später ist sie gestorben. Der Verlust schmerzt immer noch sehr. In Momenten wie diesen vermisse ich sie ganz schrecklich.
    Ich starre das Bild von ihr an. Es ist schon ein bisschen vergilbt. Hier in der Dunkelheit lasse ich zu, dass sich Tränen aus meinen Augen stehlen. Meine Oma war immer für mich da, hat mich unterstützt, an mich geglaubt. Sie hatte immer einen Rat für mich. Als sie gegangen ist, wurde alles anders, schwieriger. Ich weiß nicht mehr, was richtig oder falsch ist, ob das, was sich gut anfühlt, auch wirklich gut ist.
    In drei Wochen habe ich Geburtstag. Ich hoffe, wie feiern ihn so wie im letzten Jahr. Gemütlich zu Hause. Nur wir beide.
    Ich kuschele mich tiefer in die Decke. Zuhause... Manchmal kann ich nicht glauben, dass wir hier zusammen wohnen. Ich habe daran gezweifelt, ob wir es schaffen würden.

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