Maria, ihm schmeckts nicht!
Campo-
basso. Die Nachricht von Pamelas Vermählung
kommt in einem zitronengelben Umschlag. Pamela
und ihr Verlobter Paolo teilen uns mit, wie schade
sie es fänden, dass sie seinerzeit zu unserer Hochzeit nicht kommen konnten, aber umso schöner sei es ja
nun, wenn wir zu der ihren kämen. Pamela ist die
Tochter von Tante Maria und Onkel Raffaele.
Es ist wohl an der Zeit, die verwandtschaftlichen
Verhältnisse einmal klarzustellen. Man kann die Grö-
ße der Familie Marcipane und die stattliche Anzahl
ihrer Mitglieder alttestamentarisch nennen, doch
ich glaube, es handelt sich um vollkommen normale
verwandtschaftliche Verflechtungen in einer italienischen Provinzstadt. Inzwischen ist es mir gelungen, den inneren Kreis, zu welchem glücklicherweise fast nur Marcipanes zählen, einigermaßen auseinander
zu halten. Bereit? Dann los:
Der Kern des Clans besteht natürlich zunächst ein-
mal aus Nonna Anna und dem immer noch im Geiste
allgegenwärtigen Opa Calogero Marcipane. Die bei-
den haben acht Kinder: Raffaele ist der Älteste, er hat Maria geheiratet, sie haben drei Kinder, nämlich Antonio, Carmine und Pamela, alle bisher unverheiratet und daher natürlich kinderlos. Dann kommt mein Schwiegervater Antonio mit seinem Anhang, danach
Tante Maria, die mit Egidio verheiratet ist, ihr Sohn ist der Womanizer Marco, er hat keine Kinder, von denen er wüsste. Die jüngste der Schwestern heißt
Emma und ist mit Federico verheiratet. Sie haben
wiederum drei Söhne, von denen ich nur einen
kenne, nämlich Gianluca und dessen Frau Barbara
sowie deren ungezogene Kinder Antonio und Ilaria.
Das fünfte Kind von Anna und Calogero ist Matteo,
der mit seiner Frau Maria sogar vier Kinder hat:
Antonio, Enrico, Sabrina und Vasco. Sabrina ist
verheiratet mit Nicola, sie haben zwei Kinder,
nämlich eine Maria und einen Antonio. Antonio
(also der Sohn von Matteo, nicht der von Nicola) und Enrico sind ebenfalls mit je einer Maria verheiratet, wobei Antonio und Maria zwei Töchter haben; die
Ehe von Enrico und Maria ist hingegen kinderlos,
was immer wieder Thema ist. Kein Thema hingegen
ist Vasco. Das liegt einerseits daran, dass er schon lange in Mailand lebt, und zum anderen daran, dass
er schwul ist.
Die Söhne mit den Startnummern sechs, sieben
und acht heißen Carlo, Davide und Furio. Auch sie
sind verheiratet und haben zahlreiche Kinder, von
denen wiederum einige bereits verheiratet sind und
ebenfalls Kinder haben. Viele heißen Antonio oder
Maria. Es gibt also Antonios, die gleichzeitig Sohn und gleich mehrfach Bruder, Vater, Enkel, Cousin,
Onkel, Großonkel und Schwager sind. Dazu kommen
dann noch allerhand Cousins und Cousinen und die
unzähligen Schwager und Schwägerinnen, Calogero
hatte nämlich noch zwei Brüder, unter anderem ei-
nen älteren namens (Überraschung!) Antonio. Das ist der Vater des verrückten Benito. Calogeros Schwester nun heiratete einen Carducci, was später als die Wurzel allen Übels ausgemacht wurde. Sie wissen schon, die Sache mit dem Auto.
Um die Verwirrung komplett zu machen, leistete
sich die Stadtverwaltung von Campobasso 1951 bei
der Geburt von Antonios Schwester Maria einen
folgenschweren Tippfehler, indem sie ihren Nachna-
men falsch in die Urkunde eintrug. Da stand dann
Marcipano anstatt Marcipane. Als Calogero dies re-
klamierte, war man jedoch nicht bereit, den Fehler zu korrigieren, Geburtsurkunden seien nun einmal bin-dend und da könne ja jeder kommen und einfach sei-
nen Namen ändern, wo kämen wir denn da hin, und
was er denn wolle, der Name Marcipano habe einen
soliden Klang. Damit nun Maria nicht die einzige
Marcipano zwischen lauter Marcipanes sei, entschied Calogero bei der Geburt von Matteo, dass auch er
Marcipano heißen solle. Der Verwaltung fiel das
nicht weiter auf und so verselbständigte sich dieser Nachname bei Carlo, Davide und Furio. Alles klar?
Der besagte Brief kam also von Saras Cousine
Pamela, die ich seit der Beerdigung kenne und mag.
Sie sieht aus wie ein Sofakissen und lacht ausgesprochen gerne und laut. Der Mann, den sie zu heiraten
gedenkt, heißt Paolo und ist ein liebenswürdiger
Schlaffi, der am liebsten seine Ruhe hat.
In dem Brief steht noch, Pamela wünsche sich sehr,
dass Sara ihr ein bisschen mit dem Make-up hilft.
»Da müssen wir hin!«, ruft Sara aufgeregt. »Eine
echte italienische Hochzeit, das wird ganz, ganz toll.«
»War irgendeiner von denen auf unserer Hoch-
zeit?«, frage ich sie
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