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Maria, ihm schmeckts nicht!

Maria, ihm schmeckts nicht!

Titel: Maria, ihm schmeckts nicht! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Weiler
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immer essen, essen, essen. Einmal bemerkte Onkel Egidio, den ich ansonsten für seinen derben Humor sehr schätze,
    indem er mit seinem Zahnstocher in meine Richtung
    deutete: »Wenn unsere Nonna ihn nicht hätte, müsste sie sich ein Schwein halten.« Alle lachten, ich aß.
    Einmal habe ich versucht, sie mit ihren eigenen
    Waffen zu schlagen. Beim Mittagessen hielt ich ihr
    alle zwei Minuten den Tomatensalat vor die Nase
    und sagte: »Nimm von dem Salat. Nonna, nimm Sa-
    lat. Hier, Nonna, nimm den Salat.«
    Nach dem dritten Mal ließ sie Messer und Gabel
    sinken, schaute in die Runde und raunzte zur Erhei-
    terung der Anwesenden im breitesten Neapolita-
    nisch: »He, jetzt nehmt ihm endlich die Schüssel
    weg! Dieser Kerl versucht dauernd, mir meinen eige-
    nen Salat anzudrehen.«

    Noch zwei Tage bis zur Hochzeit, dem größten Groß-
    ereignis in Pamelas und Paolos Leben. Wir besuchen
    das Paar, das entgegen üblicher Sitten bereits zusam-menlebt. Die beiden wohnen in einem Neubaugebiet
    am Stadtrand in einer recht großen Wohnung, die
    komplett gefliest ist und den Charme eines Hallen-
    bades versprüht. Auf der Sofalehne sitzen allerhand Plüschtiere, darunter auch Clowns. Das Frühstücksgeschirr wird sicher bombig einschlagen.
    Paolo zeigt uns ihr Hochzeitsalbum. Moment mal.
    Hochzeitsalbum? Die Hochzeit ist doch erst über-
    morgen. Jajaaa, klärt mich Paolo auf, aber dieses
    Album mache man vorher. Das Album steckt in
    einem ledergebundenen Schuber und wiegt ungefähr
    fünf Kilo. Auf den Seiten ist nur jeweils ein Foto zu sehen – und das hat es in sich. Ein professioneller Fotograf hat in einer Art Fotoroman den Weg der
    Liebenden zueinander inszeniert. Die meisten Bilder spielen in den fünfziger Jahren. Das Album beginnt
    mit einem Bild von Paolo, der in einem weißen An-
    zug vor einem Bugatti posiert. Es ist wie alle Aufnahmen schwarzweiß und nachträglich mit einem Sepia-
    effekt versehen worden. Auf der nächsten Seite räkelt sich Pamela mit schmachtendem Blick auf einer
    Chaiselongue. So geht’s weiter. Ungefähr auf Seite
    dreißig begegnet sich das Paar schließlich auf der
    Landstraße, wo Paolo eine Panne mit seinem Bugatti
    hat und Pamela ihm freundlicherweise Wasser in ei-
    ner Emaillekanne bringt, das er in den Kühler und
    über sein Hemd schüttet. Auf dem nächsten Bild
    wird geküsst. Danach geht alles ganz schnell. Die
    nächsten zehn Seiten zeigen die Hochzeitsvorberei-
    tungen des Paares, anschließend folgen leicht erotisierte Aufnahmen von Paolo und Pamela in der
    Hochzeitsnacht. Bei diesen Fotos wird heftig ge-
    grinst. Eine ganze Woche lang habe der auf diese Art von Alben spezialisierte Fotograf nach ihren Wünschen gearbeitet. Kostüme und Bugatti inklusive hat dieses Panoptikum der Liebe drei Millionen Lire gekostet.
    Auch bei der Hochzeit lässt man sich nicht lum-
    pen. Es werden über einhundertfünfzig Gäste erwar-
    tet, die meisten gehören zu den beiden Familien des Brautpaares. Nur die allerwenigsten haben abgesagt, zum Beispiel kann das Ehepaar Bozzi leider nicht
    kommen. Die Bude wird voll. Die Bude wird sogar
    doppelt voll, denn ein Stockwerk tiefer, in einem
    weiteren Saal, ist noch eine Hochzeit von vergleichbarer Mannstärke anberaumt.
    Am Morgen der Hochzeit große Aufregung. Bru-
    der Alfredo, hat sich gestern Abend an einem kleinen Hühnerknochen verschluckt und lässt mitteilen, dass er sich wegen eines nicht enden wollenden
    Schluckaufs absolut außerstande sehe, die Predigt
    zu halten. Was nun? Mein Schwiegervater bietet sich als Ersatz an, aber Onkel Raffaele insistiert, daß
    Toni erstens kein Geistlicher sei und zweitens für
    Predigten nicht tauge, weil er bei längeren Reden immer so klinge, als verlese er das Kommunistische
    Manifest.
    Naiv frage ich meine Frau, ob es nicht ein anderer
    Priester aus Campobasso tue, doch das kommt kate-
    gorisch nicht in Frage, denn Pater Alfredo hat in den letzten sechzig Jahren so ziemlich alle Umtriebe der Familie Marcipane begleitet. Noch drei Stunden,
    dann muss der Schluckauf weg sein, notfalls mit Ge-
    walt. Eine Abordnung der Familie geht also zu Al-
    fredo, um ihn zu erschrecken.
    Eine Stunde später sind sie wieder da und verkün-
    den, Pater Alfredo sei auf wundersame Weise geheilt worden, amen. Pünktlich um elf Uhr stehen wir vor
    der Kirche und warten auf das Brautpaar. Dieses hat zu diesem Zeitpunkt bereits eine mehrstündige Foto-und Videosession hinter sich. Der Fotograf, ein hagerer Mann mit

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