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Maria, ihm schmeckts nicht!

Maria, ihm schmeckts nicht!

Titel: Maria, ihm schmeckts nicht! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Weiler
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»Hallo, kennst du mich noch?«
    »Pssst!«
    »Schau doch mal zu mir.«
    »Nein.«
    »Bitte.«
    Da drehte sie sich um und er sah ihr Gesicht so
    nah, dass er vor Schreck beinahe die Besinnung
    verlor. Sie war noch viel schöner, als er sie in
    Erinnerung hatte.
    »Willst du mich heiraten?«
    »Du bist wohl verrückt.«
    Er schämte sich für seinen sizilianischen Dialekt
    und für seinen blonden Schopf, der in Campobasso
    genau so exotisch war wie rote Haare oder schwarze
    Haut.
    »Lass mich in Ruhe.«
    »Mein Name ist Calogero«, startete er flüsternd
    einen neuen Versuch.
    »Das weiß ich.«
    Sie wusste es?
    »Mein Vater sagt, dass du für einen Sizilianer
    fleißig bist.«
    Calogero überhörte die Beleidigung und berührte
    Annas Haar.
    »Hör sofort auf damit!«
    »Kann ich dich wiedersehen?«
    »Nein.«
    Calogero hielt es für besser, seine Taktik zu än-
    dern, und blieb für den Rest des Gottesdienstes ru-
    hig. Als dieser zu Ende war, drehte sich Anna um.
    Sie hatte die ganze Zeit gehofft, dass er sie noch
    einmal ansprach. Aber Calogero war verschwunden.
    Jeden Sonntag wiederholte sich das Spiel. Unter
    den missbilligenden Blicken der Umsitzenden flüs-
    terten Anna und Calogero und kamen sich auf diese
    Weise zwangsläufig immer näher, bis Berührungen
    nicht mehr zu vermeiden waren.
    Nach ein paar Wochen sahen sie sich auch außer-
    halb der Kirche San Giorgio. Annas Schwester Maria
    organisierte das Treffen in einem Winkel unterhalb
    der Burg. Es war ein verschwiegener Ort, denn
    niemand kam für gewöhnlich auf die Idee, zur Burg
    hochzugehen, wo kaum ein Strauch wuchs, weil das
    ganze Jahr dort ein heftiger Wind wehte. Calogero
    und Anna mussten nicht mehr flüstern, sie sprachen
    stattdessen gar nicht mehr.

    »Soll das vielleicht heißen, die haben geknutscht?«, unterbricht Daniele, der Wirt.
    »Was heißt schon geknutscht? Sie haben keine
    Worte für ihre Liebe gebraucht, das soll es heißen.
    Bring mir einen Campari und misch dich nicht ein.«

    Das Geheimnis des Paares kam natürlich irgendwann
    heraus und angeblich soll Anna für ihr Verhältnis
    mit Calogero fürchterliche Prügel bekommen haben.
    Aber das bestärkte sie nur umso mehr in ihrer Liebe zu dem Sizilianer, der jede Demütigung aushielt und sich keine Beleidigung jemals anmerken ließ.
    Als Calogero nach einem Jahr um ihre Hand an-
    hielt, beschimpfte ihr Vater ihn eine Stunde lang mit den wüstesten Tiraden und stieß die schlimmsten
    Flüche aus, als wolle er ihn prüfen. Calogero verzog keine Miene. Er schlug nicht zu, er antwortete nicht.
    Er stand nur da und bestand den Test. Als der alte
    Scalfero schließlich einsah, dass er nichts gegen diese Verbindung ausrichten konnte, gab er ihr schweren
    Herzens seinen Segen und eine Bürde mit ins
    Eheleben. Denn im Gegensatz zu Annas Schwestern,
    die in der sozialen Rangordnung aufgestiegen waren
    und dafür mit großen Mitgiften ausgestattet wurden, hatte Anna einen Schritt nach unten gemacht, zu den Tagelöhnern, Zigeunern und Nichtsnutzen von der
    Nordseite. Sie bekam eine lächerlich geringe Aus-
    steuer, die eher eine symbolische Bedeutung hatte,
    nämlich die einer Beleidigung.
    Calogero begab sich auf die Suche nach einem
    Haus für seine Familie. Auf der Nordseite des Berges gebe es etwas, sagten ihm seine Freunde, doch da
    wollte er nicht hin. Eines Tages nahm er seine inzwischen schwangere Frau mit und sie gingen durch die
    Gassen der Südstadt, hoch und höher, bis man ein
    Stück Himmel sehen konnte. Vor einem gelben Haus
    blieb er stehen und sagte: »Herzlich willkommen im
    Vico Vaglia.«
    Es war eine Unverschämtheit, eine Provokation,
    dass der Sizilianer mitten in der Stadt ein Haus
    gekauft hatte. Und wer wusste schon, wovon er es bezahlt hatte. Womöglich mit Mordaufträgen, Überfäl-
    len, Raubzügen. Vom ersten Tag an musste Calogero
    die Vorurteile seiner Nachbarn ertragen. Er kämpfte nicht dagegen an. Er ging ganz ruhig aus dem Haus,
    arbeitete weiter auf dem Feld und ließ die Idioten
    ihre spöttischen Sprüche machen. Tatsächlich hatte
    er niemanden umgebracht oder ausgeraubt, um das
    Haus zu kaufen. Er hatte sich Geld geliehen, und
    zwar bei Scalfero – ohne dass dieser es wusste.
    Zu den vielen Geschäften, die Scalfero betrieb, ge-
    hörte auch das Verleihen von Geld. Seine Zinsen wa-
    ren günstiger als die der Bank in der Stadt, wohin
    ohnehin niemand vom Land gerne ging, um mit
    schmutzigen Fingernägeln um einen Kredit zu
    bitten. Die meisten

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