Maria, Mord und Mandelplätzchen
Busch, geboren 1967 in Meersburg, arbeitet als freie Autorin sowie als Texterin und Journalistin für internationale Kunden aus Wissenschaft, Technik und Kultur. Sie studierte Mathematik, Informatik, Literaturgeschichte und Musikwissenschaften und promovierte in Mediävistik. Ihre Arbeiten wurden mehrfach ausgezeichnet. Zuletzt erhielt sie für ihren psychologischen Kriminalroman
Schweig still, mein Kind
(Knaur) den renommierten Friedrich-Glauser-Preis für das beste Debüt des Jahres 2010 .
Mein wirst du bleiben,
der zweite Roman um Hauptkommissar Moritz Ehrlinspiel und sein Team, erschien im Herbst 2011 (ebenfalls im Knaur Verlag).
Die Autorin lebt im Nordschwarzwald.
Mehr unter: www.petra-busch.de
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Sabine Thomas
Weihnachten unter Palmen
München
Ein Weihnachtsdrama in 24 Sequenzen
1
Dienstag, 23 . Dezember, kurz nach 12 Uhr Mittag, Weihnachtsmarkt am Rotkreuzplatz in München-Neuhausen, die Frisur sitzt. Aber vermutlich nicht mehr lange. Dicke Schneeflocken schwebten lautlos vom Himmel herab und verwandelten die Nymphenburger Straße in eine spiegelglatte Eisbahn. Ein Auffahrunfall vor dem berühmten Eiscafé Sarcletti legte den Verkehr komplett lahm. Und ich hatte bei allen möglichen Gewinnspielen angekreuzt, dass es in diesem Jahr garantiert keine weiße Weihnachten geben würde! Hätte ich doch lieber gewettet, dass ich wieder mal in letzter Minute losziehen würde, um panisch irgendwelche Last-Minute-Geschenke zu kaufen – diese Wette hätte ich haushoch gewonnen. Und wie jedes Jahr genehmigte ich mir erst mal einen Glühwein und ein Schoko-Bananen-Crêpe zur Einstimmung, bevor ich mich am 23 . Dezember ins Weihnachts-Chaos stürzte. Während ich frierend auf die Crêpe wartete, piepte das Handy. Hektisch und mit steifgefrorenen Fingern wühlte ich im Dschungel meiner Handtasche. Jede Stunde erfuhr ich per SMS , welche Losnummern in der großen 100 000 -Euro-Weihnachts-Tombola von
Radio Isaria
gewonnen hatten. Bisher Fehlanzeige …
2
Das Display leuchtete auf.
+++ DER HAUPTGEWINN DER WEIHNACHTS - TOMBOLA VON 100 000 EURO FÄLLT AUF DIE LOSNUMMER 448 977 . HOLEN SIE IHREN GEWINN UNTER VORLAGE DES LOSES BIS SPÄTESTENS 24 . 12 ., 12 UHR, BEI RADIO ISARIA AB ! +++
Mir wurde plötzlich heiß, trotz des eiskalten Windes, der zwischen den Weihnachtsbuden durchzog. Denn die Losnummer kam mir irgendwie bekannt vor … Mit den Zähnen zog ich die Handschuhe aus, brauchte mehrere Anläufe und kramte schließlich das zerknitterte Tombola-Los aus dem Portemonnaie hervor. Tatsächlich: 448 977 ! Der Hauptgewinn! Hunderttausend Euro! Ich! Das Ende aller Sorgen! Neues Auto! Urlaub! Weihnachten unter Palmen! Gleich morgen den Job kündigen!
Mit zitternden Händen und Herzklopfen stopfte ich das 100 000 -Euro-Los zurück ins Portemonnaie. Ich würde sofort zu
Radio Isaria
fahren. Und dann: auf zum Weihnachtsshopping de luxe! Maximilianstraße statt Grabbeltisch!
3
Gerade als ich innerlich vor Freude einen Salto schlug und Glühwein und Crêpes zu einem der Stehtische balancierte, rempelte mich jemand von hinten an und riss an meiner Tasche. Heißer Glühwein schwappte über meine eiskalten Finger. Ich schrie auf, wirbelte herum und sah nur noch, wie ein Mann mit langem dunklen Mantel durch die Menge davonflitzte, mit
meiner
Handtasche – und dem 100 000 -Euro-Los!
Sofort nahm ich die Verfolgung auf, rannte quer über den Weihnachtsmarkt, runter zur U-Bahn. Vollbepackte Menschenmassen quollen mir auf der Treppe entgegen. Ich sah gerade noch, wie der Taschendieb in die U-Bahn sprang und sich hinter ihm die Türen schlossen. Die U-Bahn fuhr ab.
Verzweifelt blickte ich mich um. Ich hatte nichts mehr, kein Geld, kein Handy, keine Auto- und Wohnungsschlüssel, und vor allem: Die 100 000 Euro waren futsch. Tränen stiegen mir in die Augen.
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte eine Stimme hinter mir. Ich schniefte und drehte mich um. Und mich traf fast der Schlag.
4
Es war ausgerechnet mein Nachbar, dem ich neulich beim Ausparken einen Kratzer in die lackierte Stoßstange gerammt hatte. Irgendwie hatte ich vergessen, einen Zettel an die Windschutzscheibe zu klemmen oder ihm Bescheid zu sagen. Ich wollte es tun, ehrlich. Ich spürte förmlich, wie ich rot anlief.
»Mir ist gerade die Handtasche geklaut worden. Alles ist weg.«
Er sah mich mitfühlend an. »Ausgerechnet an Weihnachten …«, sagte er.
Kühler Wind aus dem Schacht kündigte die nächste U-Bahn
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