Maria, Mord und Mandelplätzchen
die Bonner Polizei ernannte sie zur Ehrenkommissarin. Gisa Klönne ist selbst Herausgeberin zweier Anthologien mit Weihnachtskrimis.
Im Oktober 2011 erschien ihr fünfter Roman mit Judith Krieger:
Nichts als Erlösung.
Mehr unter: www.gisa-kloenne.de
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Christiane Franke
Tante Hedi und der Weihnachtsmann
Bremen
»Komm rein, Mäuschen!« Tante Hedi strahlt über das ganze Gesicht. Sie ist die Schwester meiner Mutter, und wenn ich ehrlich bin, mag ich sie lieber als meine Mum.
Ich hauche ihr einen Kuss auf die Wange und drücke ihr den Blumenstrauß in die Hand, der aus Tannenzweigen, einer roten Amaryllis und drei kleinen roten Weihnachtskugeln besteht. Es ist der vierte Advent. Noch zwei Tage bis Weihnachten.
»Wie war die Fahrt, Mäuschen? War es glatt auf der Autobahn?«
Ein Mäuschen bin ich mit Mitte vierzig eigentlich schon lange nicht mehr, aber für Tante Hedi werde ich es wohl immer bleiben.
»Ging so, die Autobahn war gestreut.« Ich sehe ihr lächelnd zu, wie sie in die Küche geht, und trabe hinterher. Wirklich, von allen meinen Familienmitgliedern ist sie mir die Liebste. Okay, vielleicht liegt das daran, dass sie noch nie angepasst war und auch mit inzwischen achtundsiebzig Jahren deutlich aus der herkömmlichen »Altersrolle« fällt. Irgendwie bin ich ein wenig stolz auf meine Tante, denn sie hat immer die witzigsten Ideen.
»Heut wird es besonders spannend«, verkündet sie aufgeregt, als sie eine Vase aus dem Schrank holt und die Blumen hineinstellt. »Ich hab den Weihnachtsmann bestellt!«
Sie kichert dabei komisch, und zum ersten Mal beginne ich, mir Gedanken um ihren Gemütszustand zu machen. Den Weihnachtsmann bestellt! Ich schüttele den Kopf. »Tante Hedi«, tadele ich sanft. »Was bitte sollen denn Frieda, Anneliese und Doris mit dem Weihnachtsmann? Von mir ganz zu schweigen.« Frieda, Anneliese und Doris sind seit der Jugend ihre Freundinnen. Tante Hedi sagt nur: »Wart’s ab«, und verschwindet mit der Vase Richtung Wohnzimmer. Ich folge ihr mit einem leicht mulmigen Gefühl, weil ich weiß, dass ihr Humor durchaus grenzwertig sein kann. Ab und zu habe ich mich auch schon für sie geschämt, aber so oft bin ich ja nicht mehr in der Stadt.
»Setz dich, Kind«, fordert sie mich auf und drückt mich fast in den Sessel. Noch eine gute halbe Stunde, bis die anderen erscheinen. Wir klönen gern vorher in Ruhe, und mit Tante Hedi kann ich mich über alles unterhalten.
Sie ist so gänzlich anders als meine Mutter. Meine Mutter ist dermaßen konservativ und spießig, dass man so eine Figur gar nicht erfinden dürfte. Na ja. Meine Eltern haben sich eben sehr früh kennengelernt, noch zu Schulzeiten. An der Höheren Handelsschule. Mein Vater fing danach bei der Post an, und meine Mutter lernte Verkäuferin. Tante Hedi ist zwei Jahre jünger als meine Mutter. Auf Verkäuferin hatte sie keinen Bock, sie wollte den Duft der großen weiten Welt einatmen und ist nach der Schule erst mal nach Bremen gegangen. Hat da in einem Hotel gelernt. Von Bremen ging’s nach Hamburg, nach Paris, nach London, sogar aus Thailand habe ich Post von ihr bekommen. Eigene Kinder hat Tante Hedi nicht. Sie war zwar mal verlobt, aber ihr Verlobter ist noch vor der Hochzeit bei einem Autounfall ums Leben gekommen, und so hat sie sich mit Wonne auf mich gestürzt. Nicht nur, weil ich ihre erste Nichte, sondern auch, weil ich so rebellisch bin wie sie. Ich habe noch zwei Geschwister, einen Bruder und eine Schwester, aber die haben wohl die Beamtenmentalität unserer Eltern mit der Muttermilch aufgesogen. Wobei ich natürlich nichts gegen Beamte habe, und gegen Postbeamte schon mal gar nichts, das möchte ich betonen! Mein Vater hat ein ruhiges und beschauliches Arbeitsleben gehabt, ohne auf der schwierigen See des freien Arbeitsmarktes den Kurs halten zu müssen. Unserer Familie ging es immer gut, und auch jetzt, im Rentenalter, unternehmen meine Eltern mit den Alt-Postlern einmal im Jahr einen Kurztrip; meine jüngere Schwester ist ebenfalls bei der Post, und mein Bruder hat einen Nachbarzweig angestrebt: Er arbeitet beim Finanzamt. Beide haben Familien, in denen es geordnet zugeht, meine Schwester und mein Schwager besitzen sogar ein kleines Reihenhaus, und mein Bruder wohnt mit seiner Frau in einer großen Wohnung in einem 18 -Parteien-Block, also alles echt gutbürgerlich. Meine Nichten und Neffen haben die Schule anständig durchlaufen oder sind noch dabei. Irgendwie eine Vorzeigefamilie.
Bis auf
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