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Maria, Mord und Mandelplätzchen

Maria, Mord und Mandelplätzchen

Titel: Maria, Mord und Mandelplätzchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Stöger
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Getränken wäre dann auch geklärt.
    Als sie an der Tür zum Schlafzimmer vorbeigeht, erstarrt sie. Nicht wegen der zweiten Champagnerflasche. Auch nicht wegen des dritten Hummers, der über den Boden kriecht. Dort ist ein Mann. In ihrem Bett liegt ein nackter Mann. Ihre Blicke wandern zu seinem Gesicht. Das ist bedeckt mit einer Weihnachtsmannmütze, vorm Mund klebt ein weißer Rauschebart und etwas Rotes. Handschellen fesseln seine Arme an das schmiedeeiserne Kopfende des Bettes. Es sind die mit dem rosa Plüschbezug. Das Geburtstagsgeschenk ihrer Schwestern vor vier Jahren. Agnes schließt die Augen und zählt bis hundert. Als sie sie wieder öffnet, liegt der Weihnachtsmann immer noch auf dem weißen Laken. Gefesselt und geknebelt. Ein Perlonstrumpf presst etwas Rotes in seinen Mund. Agnes macht einen Schritt auf den Mann zu und schüttelt ihn. Er ist ganz kalt. Seine offenen Augen sind starr zur Decke gerichtet. Kalter Schweiß bricht ihr aus. Was ist bloß passiert? Gerade als sich erste Erinnerungsfetzen aus ihrem vernebelten Gedächtnis bemerkbar machen, klingelt das Telefon. Mechanisch hebt sie ab.
    »Frohe Weihnachten, Schwesterherz. Na, wie war die Nacht mit dem Weihnachtsmann?«
    »Carmen, du?« Agnes stockt. »Und wieso weißt du von ihm?«
    »Na hör mal, wir waren doch zusammen im Winterwunschwald. Und da hast du dir eine Nacht mit dem Weihnachtsmann gewünscht. Mit heißem Sex und allem, was dazugehört.«
    »Ich?«
    »Ja, du. Und: Warst du ein böses Mädchen?« Carmen kichert. »Hat er dir die Leviten gelesen?«
    Schweigen in der Leitung.
    »Bist du noch da?«
    Wieder keine Antwort.
    »Agnes?«
    »Er ist tot«, stammelt Agnes.
    »Hör auf mit dem Quatsch.« Nicht, dass Carmen Dankbarkeit erwartet hätte, aber zumindest einen Hauch von Begeisterung.
    »In meinem Bett liegt ein toter Weihnachtsmann.«
    »Hattest du vorher wenigstens Sex?« Von Agnes lässt sich Carmen nicht ins Bockshorn jagen. Ein toter Weihnachtsmann! Da muss sie sich schon was Besseres einfallen lassen.
    »Ja«, flüstert die Ältere in den Hörer. Das mit dem strahlenden Teint wäre dann auch geklärt.
    »Und, wann ist er gegangen?«
    »Das ist es doch«, heult Agnes. »Er liegt immer noch in meinem Bett. Er ist ganz kalt.«
    »Verarsch uns nicht, das …«
    »… jetzt kann ich mich auch wieder daran erinnern«, fällt Agnes ihr ins Wort, »dass er meinte, dass er mein Knecht sei. Knecht Ruprecht steht ganz zu deiner Verfügung, hat er gesagt und uns den Champagner eingegossen. Als er die zweite Flasche aus dem Kühlschrank holte, hat er die Hummer entdeckt. Prompt hat er sie rausgeholt und im Wohnzimmer laufen gelassen. Ich bin der Gefangenenbefreier, hat er losgeprustet. Da hab ich ihm klargemacht, dass ich auf der anderen Seite stehe und der Sheriff bin. Gefangenenbefreiung muss hart bestraft werden. Ganz hart. Er war einverstanden. Also habe ich ihn mit diesen Dingern gefesselt, die ihr mir vor Jahren geschenkt habt. Ich schmeiß doch nie was weg. Er hat die ganze Zeit gelacht. Deshalb habe ich ihn geknebelt. Mit diesem roten Tanga, den ich vorletztes Jahr von euch zum Geburtstag bekommen habe. Er hat sich heftig gewehrt, irgendwann wurde er dann aber ruhiger. Ich hab gedacht, dass er einfach eingeschlafen ist.« Sie schnieft. »Und jetzt ist er tot.«
    »Scheiße«, stammelt Carmen. Ihre Schwester scheint es ernst zu meinen. »Rühr nichts an. Ich komme gleich mit Beate vorbei.«
     
    Von drauß’ vom Walde komm ich her;
    Ich muß euch sagen, es weihnachtet sehr!
     
    Beate braucht ihren Arztkoffer nicht zu öffnen, um den Tod des Weihnachtsmannes zu bestätigen. Ein Blick auf sein weißes Gesicht, die Berührung seiner kalten Haut genügen. Beate löst den Knebel.
    »So, wie es aussieht, ist er erstickt, oder er hatte einen Herzinfarkt.«
    »Oder – oder – oder?« Carmen starrt Beate an.
    »Genaueres kann ich hier nicht sagen, das ergibt erst eine Obduktion.«
    Unschlüssige Blicke wandern zwischen Carmen und Beate hin und her. Das Wort Obduktion liegt bleischwer im Raum und zehrt an den Nerven. Agnes sitzt wie ein Häufchen Elend im Sessel.
    »Woher sollte ich denn wissen, dass der einfach stirbt. Das konnte ich doch nicht ahnen. Ein Spiel war das, mehr nicht.«
    »Was hast du eigentlich genau mit ihm gemacht?«
    »Erst hab ich ihn gefesselt und geknebelt. Dann hab ich mich auf ihn draufgesetzt und …«, ein kurzes Lächeln huscht über Agnes’ Gesicht, »dann haben wir, also eher ich, da noch so ein paar Sachen

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