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Maria, Mord und Mandelplätzchen

Maria, Mord und Mandelplätzchen

Titel: Maria, Mord und Mandelplätzchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Stöger
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war ja nichts geschehen, bisher. Sie hatte den ersten Schritt getan, jetzt war er da. Jetzt konnte sie abwarten, konnte sorgfältig beobachten und prüfen. Sie hatte Zeit. Sie hatte alle Zeit der Welt.
    Er bemühte sich. Daran immerhin bestand kein Zweifel. Er bemühte sich um Gundula, und sie nahm das nicht ohne Dankbarkeit zur Kenntnis. Darum war es nur recht und billig, dass sie im Gegenzug ein paar ihrer Karten auf den Tisch legte. Auch wenn es ihr nicht leichtfiel, über bestimmte Dinge zu sprechen. Über Einsamkeit, zum Beispiel, und darüber, wie das Leben war, seit Rüdiger fort war. Für sie und für ihre Tochter Elke. Es hatte ihnen an nichts gefehlt, materiell, aber darum ging es letztlich ja nicht. Es ging viel mehr um Glück, das Glück, das mit Rüdiger auf Nimmerwiedersehen aus ihrem Leben verschwunden war.
    Während sie sprach, wurde er wieder ganz still. Fast andächtig schien er zu lauschen, hier, vor dem knisternden Kaminfeuer. Vielleicht verstand er, vielleicht verstand er tatsächlich doch, worauf es Gundula ankam. Warum sie ihn aufgenommen hatte, hier, in ihrem Haus.
    Erst als er leise anfing zu schnarchen, begriff sie, dass diese Hoffnung sie wohl getrogen hatte.
     
    »Jauchzet, frohlocket!« Da war es wieder! Als habe der alte Bach Spaß daran, Stefan zu verhöhnen. Gundula hatte die CD eingelegt. Es war ja Heiligabend. Da musste Musik sein, den ganzen Tag, hatte sie gesagt. »Auf, preiset die Tage!«
    Stefans Zähne gruben sich wütend in den Stollen.
    Gerade eben war noch alles in Ordnung gewesen. Er hatte das gewohnt üppige Frühstück genossen, das Gundula wie jeden Tag servierte. Während sie die Küche aufräumte, zog er sich ins Wohnzimmer zurück, auf einen kleinen Frühschoppen. Nicht ahnend, was auf ihn zukam. Wer auf ihn zukam. Elke nämlich, Elke, Monument der Empörung, Hände in die Hüften gestützt, so stand sie auf einmal vor ihm. Raus, sagten die Augen, die zwischen Stefan und dem Whiskyglas hin- und herwanderten, sofort raus hier.
    Vermutlich hätte er damit rechnen müssen. Es war, bedachte man es genau, sogar wahrscheinlich, dass Gundula Elkes Kommen angekündigt hatte. Der Name war gefallen. Zuhören war Stefans Stärke nicht. Gundulas Reden kreiste zudem unermüdlich um zwei Themen. Um den verblichenen Gatten, den seligen, den wunderbaren Rüdiger nämlich. Und um Weihnachten, Ente oder Gans, Kloß oder Kartoffel, Nordmann oder Blaufichte. Ein Lächeln hier und da, ein zustimmendes Brummen ab und zu, das reichte völlig aus. Dabei konnte einem schon die ein oder andere Feinheit entgehen.
    Nicht, dass Elke eine Feinheit gewesen wäre. Ganz im Gegenteil. Grob war sie, ungeschlacht, unhöflich außerdem. »Auf ein Wort, Mutter«, hatte sie gesagt, in so einem prekären Ton. Man musste kein Hellseher sein, um zu ahnen, worum es in dem kleinen Gespräch gerade ging, draußen in der Küche.
    Stefans Blick wanderte durchs Wohnzimmer. Rauschgoldengel, Tannengrün, am Fenster der Stern, der leuchten würde, wenn die Dunkelheit kam. Süß und klebrig, so wie der Marzipankern des Stollens, der nun schwer auf seine Zunge sank. Sein Blick blieb am Tannenbaum hängen. Noch ungeschmückt stand er da. Man schmückte ihn erst Heiligabend. Aufstellen musste man ihn allerdings schon einen Tag vorher, damit sich die Äste schön entfalteten. Gundula hatte geklungen, als verstünde sich das von selbst.
    Stefan dachte daran, wie er ihn geschleppt hatte, den blöden Baum. Das Ding war viel zu groß für den Bus, und schwer war es auch. Aber Stefan war kräftig, und wenn er ganz ehrlich war, dann hatte es ihm sogar irgendwie ein bisschen Spaß gemacht, mit Gundula und dem Baum durch den Schnee nach Hause zu stapfen. »… rühmet, was heute der Höchste getan …«, schlug der Chor vor. Und auf einmal wünschte sich Stefan, dass alles gut wäre, jetzt. Dass Gundula hereinkommen würde mit dem Karton, in dem der Baumschmuck lagerte. Dass sie »Auf geht’s« sagen würde oder etwas ähnlich Altbackenes, mit vor Aufregung glühenden Runzelbäckchen. Er wünschte sich, dass es keine Elke gab, die Weihnachten kaputt machte.
    Es brannte sonderbar in seinen Augen. Gute Güte! Er griff nach dem Glas, spülte mit Whisky den süßen Stollenbrei aus dem Mund und das Brennen aus den Augen, durch die Kehle, hinunter in den Magen. Dorthin, wo es brennen durfte bei einem Kerl. »Scheiße«, murmelte er leise. »Verdammte, verfluchte, beschissene Scheiße!«
     
    »Wahnsinn«, sagte Elke, ganz genau, wie

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