Maria sucht Josef - Eine weihnachtliche Liebesgeschichte
Diskret beugt er sich zu seiner Schwägerin, um nicht unhöflich zu sein.
»Habts ihr B’suach über Weihnachten?«
Magdalena schüttelt betrübt den Kopf, bevor sie Joe ebenso leise antwortet. Ihr Gesicht ist sehr ernst.
»Na, die bleiben scho für länger da … es is ja wieder Krieg im Niger. Wo sollen’s denn hin, die Leit vom Alembusch? Ist doch alles Familie … die können ma doch net im Stich lassen dort unten.«
Joe nickt. Er ist seit vielen Jahren vertraut mit der Problematik.
»Hast wieder a Almwiesen von euch verkaufen müssen?«
Sie verdreht die Augen und fügt mit einem Seufzer hinzu.
»Als ob des langen tät …! Unsere vielen Wiesen oben am Berg san scho lang fort. Auch die neben der Kapellen, wo wir damals eure Hochzeit gefeiert ham. Aber die Almwiesn will ja heut niemand mehr. Bauen derfst net, und unsere Milch is a nix mehr wert!«
Wütend wirft Magdalena ihren langen Zopf auf den Rücken. Jetzt erst sieht Joe, wie viel Grau in ihrem einst tiefschwarzen Haar ist, vor allem an den Schläfen. Es steht ihr gut, das Grau. Magdalena redet weiter.
»Zwoa von dene kloana Grundstücke am Bach hab i grad verkauft. Die, die früher im Hochwassergebiet waren, woaßt no? Die hat der Papa ja eigentlich deiner Rosemarie vererbt … Du musst ma fei sagen, wenn du was abhaben willst, Joe. Was der Rosemarie ihr Erbe gewesen wär, des g’hört jetzt dir a! I woaß nur sonst gar nimmer, wo i des Geld hernemma soll.«
Zornig sieht Magdalena aus, die Stirn in tiefe Falten gelegt, die Augen funkelnd mit ungesagten Worten, denn es ist nicht einfach, auf dem bayerischen Land eine afrikanische Mischehe zu führen, noch dazu mit einer Horde muslimischer Verwandtschaft. Sie sieht Joe unsicher an.
»Hätt’ ich dich vorher fragen sollen wegen der Wiesen?«
»Na, des passt scho. Die Rosemarie würd’s net anders wollen …«
Joe sieht in Rosemaries Kerzenmeer und führt einen stummen Dialog mit ihren ewig jungen Augen.
Unschlüssig steht Joe eine Stunde später vor der Tür zum Hof, unsicher, ob er noch einmal reingehen soll, bevor er in die Stadt fährt. Er sieht Miriam in der Küche stehen, aber er weiß einfach nicht, was er zu ihr sagen soll. Je mehr sie ihm ans Herz wächst, desto ambivalenter werden seine Gefühle. Da hört er Alembuschs Stimme hinter sich.
»Du hast deine Geschenke vergessen!«
Der Cowboy dreht sich um. Fast lautlos ist Alembusch auf seinem Kamel auf den nächtlichen Hof geritten, lässt jetzt das Tier mit einem Zungenschnalzer niederknien und steigt elegant ab. Aus dem Umhang holt er zwei Päckchen und hält sie Joe abwechselnd hin, wobei seine Augen schelmisch lächeln.
»Magdalena und ich waren uns net einig, was wichtiger ist, das Schutzamulett vom Marabut oder die Musi …?A verliebter Mo kann beides brauchen …«
Etwas Unverständliches brummelnd, nimmt Joe die CD entgegen, doch bei dem Amulett zögert er.
»Nett gemeint von eurem Marabut, aber du woaßt ja, dass i net glaub an den Hokospokus. Nimms wieder mit!«
Alembusch schüttelt den Kopf. Sein Turban ist hochgezogen, weder Nase noch Mund sind zu sehen, nur diese unergründlichen Augen, die Joe damals fanden, als er zwischen Leben und Tod in dem ausgetrockneten Flussbett lag. Nach Rosemaries Tod wollte er sterben. Die Erlebnisse von damals haben Alembusch und Joe für immer aneinandergeschweißt. Stumm reicht der schöne Tuareg ihm deshalb das Schutzamulett. Er duldet keinen Widerspruch.
Miriam steht am Fenster und sieht zu, wie Joe etwas von Alembusch entgegennimmt, nach einem kurzen Palaver in sein Taxi steigt und den Motor anlässt. Sie wartet auf ein Zeichen von dem Cowboy, einen kurzen Moment soll er bitte zu ihr schauen, um zu zeigen, dass sie ihm nicht nur lästig ist. Ein Zeichen, irgendein Zeichen braucht sie in ihrer Unsicherheit, aber der Cowboy sieht nicht einmal hoch zum Fenster. Kurz darauf fährt Molly vom Hof.
Wenige Minuten später steht Hilla vor Miriam. Bereit zum Ausgehen, hält sie ihr die Notenblätter für die abendliche Chorprobe hin. Miriam ist eigentlich hundemüde, aber sie hat es der Diva versprochen. Bene und Anna-Sophie sind bei Ernst gut aufgehoben, und ihr fällt keine Entschuldigung ein, auch wenn sie nicht mehr wirklich daran glaubt, mit ihren Kindern hier eine Chance für einen Neuanfang zu haben, denn Joe will sie hier nicht. Aber Hilla ist anderer Meinung. Was Männer wollen, sollte in Miriams Zustand ohnehin keine Rolle spielen. So, als könnte sie Miriams Gedanken lesen, zählt
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