Maria sucht Josef - Eine weihnachtliche Liebesgeschichte
schließlich dagegen entschieden, weil Miriam eine sehr unberechenbare Frau zu sein scheint und die Band bald in die schlimmsten Schwierigkeiten geraten würde, auch miteinander.
Joe weiß nicht, was er denken oder fühlen soll. Er sieht das Gesicht der kleinen Anna-Sophie vor sich, wie sie unter ihrem Marienschleier im Kindergarten ernsthaft von ihm verlangt hat, die Heilige Mutter und das Kind zu schützen. Niemanden kann man mehr schützen auf dieser Welt, am allerwenigsten die Mütter und Kinder. Es gibt so viele Frauen mit Kindern, die es irgendwie schaffen müssen mit Beruf, Betreuung und dem Aufbau einer Altersversorgung, um später dem Staat nicht zur Last zu fallen. Diese Art von Ausbeutung der Weiblichkeit ist in Deutschland bittere Normalität geworden. Und was macht der Mann? Conni und Bärli spielen auf Keybord und Saxofon, wünschen sich eine junge Sängerin, am besten sexy und ungebunden, in der Hoffnung, der Familienkelch würde für immer an ihnen vorbeigehen. Ist es nicht so, dass Frauen ohnehin länger leben als Männer? Diese Frage kommt von Conni, der sich jetzt ein neues Bier aufmacht, zufrieden mit sich, weil das Problem Miriam durch Geld zu lösen ist. Conni ist es letzte Nacht mit einer Eroberung gelungen, wieder einmal zu den Wolken zu fliegen, ein Höhenflug ohne Folgen, angenehm unverbindlich, wie er betont. Die Frau in seinem Bett war Freiheit pur, sozusagen ein Durchreisegeschenk. Dem Musiker, und sei er noch so erfolglos, bleibt immer die Option der schnellen Nummer mit dem betrunkenen weiblichen Gast, der seinen Autoschlüssel nicht mehr findet.
Joe nickt. Er weiß, wovon Conni spricht, aber er ist auf merkwürdige Weise traurig und kann heute nicht mehr spielen. Er will auch nicht über den geplanten Gig reden, für den Bärli eine andere Sängerin vorschlägt, eine jüngere und ungebundene, vielleicht auch was fürs Bett. Joe hat keine Ideen, kein Feuer und vor allem nicht die geringste Lust mehr auf Connis Details über seine letzte Nachtreise. Joe will etwas anderes, aber er traut sich nicht, es seinen Freunden gegenüber durchzusetzen, weil er eben ein verdammter Feigling ist.
Auf der Rückfahrt durch den verschneiten Chiemgau hört Joe nichts, weder seine Musik noch seine eigenen Gedanken erfreuen ihn. Er ist plötzlich nur noch müde und frustriert. Mittlerweile ist er sich sicher, dass dieses Weihnachten eine bittere Angelegenheit werden wird, weil er nicht daran denkt, Miriam und die Kinder in der falschen Hoffnung zu wiegen, dass es in seinem Umfeld einen Platz mit Zukunft für sie gibt. Er muss reinen Tisch machen.
Miriam wacht auf, als sie Molly auf den Hof fahren hört. Es ist kurz nach drei. Sie ist zornig. Es ist ein heiliger Zorn, weil sie sich wieder einmal in den Falschen verliebt hat. Joe ist doch genau wie alle anderen Männer. Aber diesmal wird Miriam nicht warten, bis dieser Cowboy anfängt, sie schlechter und schlechter zu behandeln, um sie dann gedemütigt mit neuen Wunden zurückzulassen. Diesem Mann wird sie zuvorkommen, beschließt sie und erhebt sich schwerfällig von ihrem Bett.
Joe ahnt nichts Gutes, als er hundemüde die Treppe hochkommt und sie oben auf dem Absatz auf ihn wartet, in die Daunendecke gewickelt und mit dem Gesicht einer zürnenden Göttin. Noch hat er ihr doch gar nicht gesagt, dass seine Bandmitglieder sie ablehnen und Joe sie so schnell wie möglich in Richtung Dresden abschieben soll. Aber in Miriam ist die Hoffnung von alleine gestorben. Sie hat keinen Grund mehr, sich Mühe zu geben, sieht in dem Cowboy nur einen weiteren Mann, der sie bitterlich enttäuscht. Irgendwie muss sie sich Erleichterung verschaffen. Wütend ist sie, maßlos wütend gibt sie ihm in diesem Moment die Schuld für alles, was in Sachen Männerbeziehungen jemals in ihrem Leben schiefgelaufen ist. Energisch zieht sie ihn nach der kargen Begrüßung am Ärmel mit in die Ferienwohnung, wo Bene und Anna-Sophie sich heute in dem kleineren Zimmer das Bett teilen. Bene liegt hinter seiner Schwester in der Löffelchenstellung, seinen Arm um sie geschlungen, sie wärmend und beschützend, wie es sich gehört. Das flüstert Miriam Joe mit kaum hörbarer Stimme zu. Dann winkt sie ihn mit nach draußen in den Flur, schließt leise die Tür, um die Kinder nicht zu wecken, und stemmt ihre Arme energisch in die Hüften.
»So geht das! So sollten Männer sich Frauen und Kindern gegenüber verhalten. Das ist es, was wir von euch Kerlen wollen, und zwar ein ganzes Leben
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