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Maria sucht Josef - Eine weihnachtliche Liebesgeschichte

Maria sucht Josef - Eine weihnachtliche Liebesgeschichte

Titel: Maria sucht Josef - Eine weihnachtliche Liebesgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Joens
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dem Unterricht sollte Bene abgeholt werden. Der Junge hatte sich kooperativ gezeigt, um nicht zu zeigen, wie groß seine Angst war. Dann bat er darum, zum Wichteln und für die Weihnachtsfeier zurück in seine Klasse zu dürfen, denn er wollte seine Freundin Feline nicht enttäuschen. Bene hat im Direktorat nichts erzählt, weder vom Cowboy noch von Molly oder seinem paradiesischen Wochenende auf dem Land. Sein Plan stand bereits fest. Er würde fliehen. Deshalb trägt Bene jetzt im Taxi über seinem Pulli ein zu großes T-Shirt, auf das Feline ein Vergissmeinnicht, umrahmt von ihrer Handynummer, gemalt hat. Es ist sein Wichtelgeschenk. Den Schulranzen hat er zusammen mit seinem Anorak eingebüßt, weil er in der Pause heimlich mit Feline abgehauen ist. Sie hat ihm sein Handy geliehen, damit er Joe anrufen konnte. Dann hat er im Drogeriemarkt drei Ecken weiter auf Molly gewartet und hofft jetzt, dass Feline seinetwegen nicht in Schwierigkeiten ist. Miriam sagt nichts dazu. Sie ahnt, dass sie die Kinder nicht mehr lange beschützen kann. Um diesen Schmerz nicht zu nah an sich heranzulassen, sieht sie aus dem Fenster. Endlose graue Häuserreihen verdichten sich zur östlichen Münchner Vorstadttristesse. Sie sind auf dem Weg zum ehemaligen Flughafengelände Riem. Dort erhofft sich der Cowboy in dem Einkaufszentrum mit seinen Solofüchsen den musikalischen Durchbruch. Die bittere Pille, dass nicht Miriam, sondern eine andere Sängerin auftreten wird, hat ihr der Cowboy versuchsweise versüßt. Später würden sie vielleicht einmal zusammenarbeiten. Miriams Baby sollte aber nicht ausgerechnet mitten auf einer Bühne das Licht der Welt erblicken, oder? Miriam hatte süßlich zurückgelächelt, aber sie hätte den Cowboy in diesem Moment am liebsten umgebracht.
    Keine halbe Stunde später stehen sie zu sechst an der Rolltreppe des Einkaufszentrums. Joe hört seinem bärtigen Schützling im Weihnachtsmannkostüm jetzt bereits seit zehn Minuten zu. Er erkennt Rudi kaum wieder, denn auch wenn er sich über die letzten Jahre eine erstaunliche Fertigkeit auf der Querflöte angeeignet hatte, waren es doch meist bekannte Melodien, die seinen Bettelhut füllten. Das ist heute anders. Rudi improvisiert einfach fabelhaft. Er entlockt seiner Flöte Töne von solch himmlischer Intensität, dass der Cowboy, Bärli und auch Constantin mit offenen Mündern dastehen. Was ist mit Rudi passiert? Woher kommen diese Klänge, die nicht nur die Ohren der Zuhörer, sondern auch ihre Herzen und Geldbeutel mitten in einem belebten Einkaufszentrum öffnen? Viele Zuhörer haben sich versammelt und stehen andächtig um die Bühne herum. Immer noch kommen ständig neue Weihnachtseinkäufer dazu und zücken kurz darauf ihre Geldbörsen, um Rudis CD zu erwerben, die auf schlichtem weißem Cover mit ebenfalls weißen Engelsflügeln sphärische Klänge anbietet, Seelenverzauberung garantiert. Das Marketing hat Rudi natürlich dem Musikproduzenten zu verdanken, wie Joe weiß, aber er muss zugeben, dass es eine geniale Idee ist, den Flötenspieler im Weihnachtskostüm mit Bettelhut und Weinflasche auf einer strahlend weißen Bühne auftreten zu lassen und das erste Konzert »Aus dem Dunkel ins Licht« zu nennen.
    Ein passender Titel, findet auch Miriam und schließt beglückt ihre Augen. Die Klänge, die Joes Freund seiner Flöte entlockt, sind elektronisch genial in dem hohen Raum verstärkt und scheinen von überall her zu kommen. Jede einzelne Note empfindet Miriam als Geschenk. Es gelingt ihr loszulassen, was sie noch auf der Herfahrt gequält hatte. Selbst Joes Absage tut nicht mehr weh. Inzwischen ist sie sogar froh, nicht mit den Chiemgau Cowboys auftreten zu müssen, denn gegen Rudis Musik kommt ihr Joes musikalische Auswahl an populären Weihnachtstiteln ohnehin viel zu gewöhnlich vor. Bei dem Gedanken, zum x-ten Mal eine schlechte Interpretation von Bing Crosbys White Christmas zu singen, wird ihr schlecht. Miriam ist nicht die Einzige, die unsicher ist, was den geplanten Auftritt des Chiemgauer Trios angeht, denn die willige junge Sängerin ist immer noch nicht da. Stattdessen bekommt Joe einen Anruf. Er steht kurz darauf mit merkwürdig verzerrtem Gesicht vor ihr, um mitzuteilen, dass die tolle junge Sängerin, die ihren Auftritt hätte aufpeppen sollen, nun leider doch nicht kommt. Könnte Miriam vielleicht doch auftreten, nur für ein einziges Lied? Das Chiemgauer Trio habe sich mit einer Sängerin verkauft …
    Für Miriam ist das ein

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