Maria sucht Josef - Eine weihnachtliche Liebesgeschichte
Kinder also gesagt?«
Eine peinliche Pause entsteht, in der Miriam Hilfe suchend zu dem Storch hinsieht, so als hätte der eine Antwort für sie parat. Doch sein stumpfes schwarzes Holzauge ist ein einziger Vorwurf. Lügnerin. Betrügerin. Wie tief bist du eigentlich gesunken? Das sagt der Storch. Der Cowboy sieht Miriam prüfend an.
»Und jetzt? Wie geht es jetzt weiter?«
Dabei kommt er noch einen Schritt näher, so nah, dass trotz der Kälte ein klein wenig von seinem köstlichen Geruch den Weg in Miriams Nase findet. Er fordert eine Antwort. Miriam würde am liebsten gar nicht mehr reden, sondern in seine starken Arme sinken und sich zumindest ein paar Minuten lang der völlig absurden Illusion hingeben, dass das Leben irgendwann einmal wieder schön sein könnte. Sie versucht ein weiteres Lächeln, hilflos, aber authentisch.
»Mir fällt schon etwas ein … Muss ja!«
Schnell sieht Miriam woanders hin, um seinem prüfenden Auge auszuweichen. Ihr Blick bleibt an seinen spitz zulaufenden abgeschabten Cowboystiefeln hängen, während sie versucht, innerhalb eines einzigen tiefen Atemzugs eine neue Strategie zu entwickeln. Vor allem darf sie jetzt nicht losheulen. Bloß weil dieser Kerl so ähnliche Stiefel trägt, wie ihr Vater sie einst hatte, wird er sie bestimmt nicht Huckepack aus ihrer Misere tragen. Diesen Kampf muss sie alleine durchstehen. Wie war das noch in dem Selbsthilfebuch? Eine klare Linie ziehen zwischen den Kindern, ihr und dem Rest der Welt da draußen. Sich eindeutig positionieren und das Ziel nicht aus den Augen verlieren. Ihr Ziel ist eine weitere Taxifahrt umsonst, weil sie ja keinesfalls riskieren kann, mit den Kindern noch mal beim Schwarzfahren erwischt zu werden. Und ihr Plan B? Sollte sie nicht einen Plan B haben? In Windeseile überschlägt Miriam ihre bescheidenen Möglichkeiten. Sie könnte sich notfalls das Fahrgeld von der netten Hebamme Wanda mit den Igelhaaren leihen. Damit hat sie alle Anforderungen des Selbsthilfebuchs erfüllt. Jetzt also volle Kraft voraus. Der Cowboy mit dem warmen Auto ist schließlich ein Kerl wie jeder andere auch. Also, einmal über die von der Kälte aufgesprungenen Lippen geleckt, sich mit mädchenhaftem Lächeln die feuchten Haare aus dem Gesicht gestrichen und den Kopf schamhaft geneigt. Jetzt nur noch die richtige Art von Bitte. Dann müsste es eigentlich klappen. Doch statt der bestellten verlogenen Worte der Beschwichtigung und weiblichen Unterwerfung blockiert plötzlich ein trockenes Schluchzen ihre Kehle. Sie bekommt kein einziges Wort heraus. Es folgt ein kurzer Hustenanfall, der ihren Bauch in beunruhigende Schwingungen versetzt, sodass Miriam ihn instinktiv festhält. Ungerührt sieht der Cowboy sie an.
»Nun?«
»Was?«
Laut und aggressiv klingt das eine Wort, das sie ihm entgegenschleudert, und sie ist erstaunt über ihre eigene Unfähigkeit. Wieso kann Miriam bei dem Cowboy nicht einfach durchziehen, was sie mit so vielen anderen erfolgreich geschafft hat? Ein kleines bisschen Betrug tut ja letztendlich auch diesem Hengst nicht weh. Und nur weil sie mit magischer Hand einen kurzen Moment die Lastwagen in ihrem Albtraumleben anhalten konnte, bedeutet das noch lange keinen Sechser im Lotto. Also ran an die Buletten. Lügen sind der einzige Weg zu einer warmen Heimfahrt für sie und die Kinder. Plötzlich erschrickt Miriam zutiefst.
»Wo sind Bene und Anna-Sophie?«
»Im Wagen.«
»Und wo ist der?«
Der Cowboy zeigt in Richtung eines schneebedeckten Haufens Kies vor einer Streukiste, hinter dem einer von Mollys beiden Scheinwerfern immer wieder schwach aufblitzt. Lang-kurz-kurz-lang – Bene oder Anna-Sophie spielt an dem Lichtschalter, sodass eine Art Morsecode durch die Dunkelheit funkt. Miriam seufzt erleichtert und vergewissert sich, dass auch alles in Ordnung ist mit den Kindern. Joe berichtet in Kurzform von den Begebenheiten im Kindergarten, und Miriam ist schwer beeindruckt von seinem Engagement. Also hat sie den Mann doch richtig eingeschätzt. Spontan hakt sie sich jetzt bei dem Cowboy unter und deutet auf ihren defekten Stiefel.
»So fühle ich mich sicherer. Na, dann. Fahren wir los?«
Der Cowboy sieht Miriam fassungslos an.
»Moment mal. Ich würde gerne wissen, wie Sie mich bezahlen wollen. Wir sind doch noch mitten dabei, das zu klären, oder?«
Miriam strahlt zu ihm hoch.
»Na, in bar werde ich Sie natürlich bezahlen. Ist doch alles abgemacht, oder? Sie fahren mich und die Kinder zurück nach Haidhausen,
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