Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maria sucht Josef - Eine weihnachtliche Liebesgeschichte

Maria sucht Josef - Eine weihnachtliche Liebesgeschichte

Titel: Maria sucht Josef - Eine weihnachtliche Liebesgeschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Joens
Vom Netzwerk:
… dann könnten wir zurück in unsere Wohnung, nicht?«
    Schweigen.
    Miriam streichelt Anna-Sophie beruhigend über die Haare, dann über die Wangen und die verdächtig zitternden Lippen. Irgendetwas muss sie ihr sagen, irgendetwas, damit es nicht so wehtut.
    »Es wird alles gut werden, mein Schatz!«
    »Aber wie? Wie genau wird es gut?«
    »Das weiß ich noch nicht ganz genau, aber zunächst einmal fahren wir jetzt zurück nach Dresden.«
    Das ist nicht die richtige Antwort.
    »Ich will aber am Montag die Maria im Kindergarten spielen!«
    Miriam streichelt weiter, hoffend, dass Anna-Sophie irgendwann einfach zu müde wird, um weiterzufragen. Aber noch ist das nicht der Fall. Anna-Sophies Stimme wird fordernder.
    »Ich will heute Nacht in meinem Bett schlafen!«
    Ohne weitere Antwort intensiviert Miriam ihr Streicheln, aber die Kleine hält plötzlich ihre Hand fest und beißt hinein. Miriam zieht erschrocken ihre Hand zurück.
    »Aua! Was fällt dir ein! Seit wann beißt du mich?«
    »Seit du mir nicht antwortest! Versprich es mir! Jetzt! Versprich mir, dass ich die Maria spielen darf!«
    Miriam schüttelt energisch den Kopf. In ihr zerstäuben anhand von Anna-Sophies Zahnabdrücken am Daumenballen sämtliche auch nur annähernd zusammenhängende Gedanken zu einem giftigen Nebel. Unwirsch schiebt sie die Kleine von sich. Ihre Stimme wird scharf.
    »Du beißt mich nie wieder! Ich kann und werde dir nichts versprechen, was ich nicht halten kann. Und wenn du bei mir bleiben willst, dann musst du jetzt einfach tun, was ich dir sage. Kein Beißen mehr, in Ordnung?«
    Anna-Sophie zieht sich in ihre Ecke der Rückbank zurück. Sie kennt diesen Ton und weiß, dass sie besser nicht mehr weiterbohrt.
    »In Ordnung.«
    In ihrer Not nimmt sie Papagena in ihren Arm, wiegt sie und drückt sie fest an ihre Brust, während sie sich heimlich selber in die Hand beißt, bis es ihr so wehtut, dass sie beinahe weinen muss. Anna-Sophie weint aber nicht, sondern verkündet allen im Taxi, wie lieb sie ihre Puppe hat. Bene verdreht die Augen, während Miriam kaum reagiert. Zu tief ist ihr momentaner Graben an Verzweiflung und Schuld. Es sind Momente wie diese, an denen sie sich wünscht, dieser Albtraum möge einfach nur zu Ende gehen, indem ihre Schwester vor der Tür steht und die Kinder nach einer viel zu langen Babysitterzeit endlich wieder abholt. Auch Anna-Sophie denkt an ihre Mutter und wünscht sich nichts sehnlicher, als ihre echte Mama endlich wiederzuhaben. Molly kommt an einer Ampel zum Stehen. Anna-Sophie entdeckt zwei junge Mädchen in Miniröcken, neckischen Engelsflügeln und goldenen Langhaarperücken, die am Fußgängerübergang Zigarettenschachteln an die vielen ausgehfreudigen Schönen verteilen, die am Isartorplatz über die Kreuzung gehen. Die Kleine zeigt der zerliebten Puppe begeistert die schönen Mädchen.
    »Schau mal, Papagena, zwei Engel! Ob man sich bei zwei Engeln auch zwei Sachen wünschen darf? Was meinst du, Joe?«
    Anna-Sophies Frage reißt den Cowboy aus seinem Genuss endlos langer, hell bestrumpfter Engelsbeine auf Stilettos. Einer der Engel ist wirklich ganz sensationell gut gebaut. Ohne Vorwarnung überschwemmt Joe eine kurze Welle der Lüsternheit – eine willkommene Abwechslung, denn dem Taxler ist bereits seit über einer halben Stunde ziemlich flau im Magen, weil er durch die eigene Hölle einer Erinnerung geht. Es geht ihm nicht mehr gut, seit er Anna-Sophies Kinderbett im Schnee gesehen hat. Mit so einem ähnlichen Bett verbindet Joe den schlimmsten Albtraum seines Lebens.
    Vor zwölf Jahren hat Joe ein vergittertes Babybett im Schnee stehen lassen. Es war klar, dass das Bett viele Nächte mitten auf dem Hof im Schnee stehen würde, denn keiner durfte es forttragen, und niemand hat sich getraut, Joe darauf anzusprechen, weder sein Vater noch seine Mutter oder die besorgten Freunde. Tag und Nacht saß Joe am Fenster, während seine Gedanken sich immerzu im Kreis drehten. Er hatte kein passendes Lied parat. Damals vor zwölf Jahren hatte er einfach kein Lied. Er hat dann schließlich nach Tagen einfach alles verbrannt, in einem riesigen Feuer mitten auf dem Hof, ohne ein Lied. Sein Feuer wollte wegen des vielen Schnees nicht gescheit brennen, und er hat erst einen und dann noch einen zweiten Kanister Benzin drübergekippt, damit nichts, aber auch gar nichts übrig bleibt von dem Babybett. Eine winzige Sekunde hatte er damals überlegt, ob er das Benzin nicht auch gleich über sich selbst

Weitere Kostenlose Bücher