Maria sucht Josef - Eine weihnachtliche Liebesgeschichte
das Mädchen später ganz viel Pflaumenkuchen backen kann.«
Der Cowboy grinst, aber Anna-Sophie ist noch nicht ganz zufrieden mit dieser Erklärung. Sie tippt ihm von hinten auf die Schulter.
»Und was ist, wenn man keinen Garten hat?«
Schweigen. Der Cowboy hat darauf keine Antwort. Aber dafür Bene.
»Ich weiß, wie das in der Stadt geht!«
Bene hält seiner Schwester den Gameboy hin und lässt sich zu einer ausführlichen Erklärung herab.
»Siehst du, hier in meinem Spiel sind auch verschiedene Bäume, hinter denen sich die Waldkrieger verstecken. In so einem Spiel könnte man auch einen Pflaumenbaum pflanzen. Der wäre dann eben ein virtueller Pflaumenbaum. Der nimmt auch keinen Platz weg.«
»Virtuell? Was ist das?«
»Egal! Gib wieder her!«
Schwupp, zieht Bene seiner Schwester den Gameboy wieder weg und spielt hektisch weiter, seine Daumen im Dauerstakkato. Anna-Sophie hat Zweifel an den Worten ihres Bruders.
»Quatsch! An so einem Baum wachsen keine echten Pflaumen. Der ist zu klein. Und mit solchen Pflaumen kann man auch keinen Kuchen backen, oder, Miri?«
»Nein, mein Schatz, das kann man nicht. In der virtuellen Welt kann man eigentlich gar nichts Vernünftiges machen, und deshalb sind wir auch immer froh, wenn der Bene etwas anderes spielt.«
Keine Antwort. Bene ist in seiner kleinen elektronischen Welt aus Kampf und Kriegern gefangen. Seine Stirn ist gerunzelt vor Anspannung. Der Cowboy kann sich eine Bemerkung nicht verkneifen.
»He! Redst jetzt du nimma mit uns, Bene?«
»Gleich! Nur noch das eine Spiel …«
Miriam und der Cowboy lächeln beide zur gleichen Zeit still vor sich hin, während die Lichter von München ihren warmen Teppich am Horizont vor ihnen ausbreiten. Das Glück, das Miriam in diesem winzigen Moment in Joes warmem Kokon aus rotem Leder spürt, ist atemberaubend. Allein die Tatsache, dass dieser Bayer gerade »uns« gesagt hat, als er Bene ansprach, löst bei Miriam eine Kaskade von Schauern aus, die sie innerlich nur schwer einordnen kann. Es gibt nur ein einziges Wort, das dieses unerwartete Gefühl zumindest annähernd beschreibt. Unheimlich. Miriam ist atemberaubend unheimlich zumute.
Zwanzig Minuten später, als Molly in die Haidhausener Sedanstraße einbiegt, entdeckt Bene als Erster den enormen Möbelwagen vor der Tür ihres alten Wohnhauses.
»Wer zieht denn heute bei uns aus?«
Da hat Miriam bereits den hinter dem Möbelhaus stehenden Polizeiwagen mit den beiden Beamten entdeckt. Ihre Stimme ist panisch.
»Drehen Sie um! Fahren Sie weg! Schnell!«
Ohne groß nachzudenken, setzt Joe den Blinker, biegt in die nächste Toreinfahrt und wendet sein Taxi.
»Was ist denn los?«
Doch da quietscht Anna-Sophie bereits hysterisch los.
»Was machen die Männer mit meinem Bett?«
Anna-Sophies Nase klebt am Seitenfenster. Entsetzt sieht sie zu, wie ihre Kinderbettdecke mit den hellblauen Schäfchen von ihrem Kinderbett auf den Asphalt rutscht, mitten in eine Schneepfütze, während die Möbelpacker ihr Bett über den Gehweg zum Laster tragen. Von einem der Möbelpacker wird die Decke achtlos wieder aufgehoben und auf Anna-Sophies bunt bemaltes Bett geworfen, das jetzt einsam und verlassen auf dem Gehweg steht, bis die schwereren Möbelstücke eingeräumt sind. Anna-Sophie ist fassungslos.
»Das ist doch mein Bett! Das dürfen die Männer nicht!«
Das Mädchen will aus dem Auto aussteigen, aber Miriam hält sie eisern fest, während Bene auf seine Schwester einredet. Der Junge ist ebenfalls panisch, ahnt aber die Zusammenhänge.
»Siehst du den Polizeiwagen da? Willst du, dass Tante Miri ins Gefängnis kommt?«
Aber die verzweifelte Anna-Sophie hat im Moment nur Augen für ihr Kinderbett, auf das ein leuchtend rotes Herz mit blauen Kornblumen drum herum gemalt ist. Ihre Stimme überschlägt sich förmlich.
»Die Mami hat das Bett bemalt. Sie hat es für mich gemalt, nur für mich ganz allein!«
Miriam wird heiß und kalt. Innerhalb von Sekunden hat sie das volle Ausmaß der Gefahr erkannt. Flehend sieht sie Joe an.
»Bitte fahren Sie doch endlich … bitte!«
Joe hat gewendet und beginnt die Straße wieder zurückzufahren, während Bene und Miriam nervös den Polizeiwagen beobachten. Eine füllige junge Polizistin ist ausgestiegen und unterhält sich mit einem der Möbelpacker, aber niemand beachtet das wendende Taxi, das langsam mit drei geduckten Passagieren durch die Straße fährt. Die Gehwege sind voller Menschen in Weihnachtsstimmung. Der in der Nähe
Weitere Kostenlose Bücher