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Mariana: Roman (German Edition)

Mariana: Roman (German Edition)

Titel: Mariana: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Kearsley
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drohten, mich zu ersticken. Ich vermißte London und den Trost meines eigenen Bettes und die sanfte Berührung der Lippen meiner Mutter, die ich kühl auf meiner Stirn gefühlt hatte. Meine Mutter …
    Der Gedanke an sie ließ meine Augen von neuem feucht werden. Dies war einmal ihr Zuhause gewesen, dachte ich, als sie so alt war wie ich. Bevor sie meinen Vater getroffen hatte und mit ihm fortgegangen war. Kein Wunder, daß sie so bereitwillig geflohen war. Dies war ein düsteres und freudloses Haus, kein geeigneter Ort für die lachende, lebensprühende Frau in meiner Erinnerung.
    War das einmal ihr Zimmer gewesen, fragte ich mich, und hatte sie sich einst so wie ich hier in den Schlaf geweint und ihr Gesicht in den Leinenlaken vergraben, um ihre Verzweiflung zu verbergen?
    Ich erwachte in der Stille und dem kalten, grauen Licht der Morgendämmerung. Die Stille war es, die mich am meisten verstörte. Auch zu dieser frühen Stunde hallte die Straße unter meinem Fenster in der Stadt schon von den Geräuschen menschlicher Aktivitäten wider – die Straßenhändler mit ihren Schubkarren und Handwagen und Körben, die von ihren Armen baumelten, füllten die klare Morgenluft mit einer Kakophonie von halbgesungenen Rufen, während müde blickende Kavaliere und ihre zerknitterten Damen nach einer Nacht ausgelassenen Feierns nach Hause in ihre Betten eilten.
    Ich starrte an die Decke, kämpfte mit wachsendem Heimweh und überlegte, was mich wohl geweckt hatte, als es an meiner Tür klopfte und Rachel, ohne eine Antwort abzuwarten, in das Zimmer trat. Sie war ordentlich angezogen, in einem schlichten kaffeebraunen Kleid, die Haare einfach und ohne Getue zurechtgemacht, ihr saubergeschrubbtes Gesicht glänzend und gesammelt. Sie trug eine Waschschüssel und einen groben Waschlappen.
    »Ich dachte, daß du dich vielleicht waschen willst vor dem Morgengebet«, begrüßte sie mich gutgelaunt und stellte die Schüssel neben meinem Bett ab. »Hast du gut geschlafen?«
    »Sehr gut, danke«, log ich.
    Ein fröhliches Pfeifen zerriß die Stille draußen und klang so sehr wie das Pfeifen meines Vaters, daß ich aus dem Bett gesprungen und zum Fenster hinübergelaufen war, ehe mein Bewußtsein meine Handlungen registrieren konnte. Durch das Fenster sah man über den rückwärtigen Garten und den Stall bis zum Fluß hinaus, der sich zwischen Wald und Feldern und den weiter entfernten sanften, grünen Hügeln dahinwand.
    Ein Mann schritt von der Straße aus den Abhang hinauf und trug meine schwere Kleidertruhe mit einer Mühelosigkeit auf dem Rücken, als handelte es sich um einen Sack Federn. Er ging mit langen, federnden Schritten, und wenn auch ein breitkrempiger Hut sein Gesicht verdeckte, so erhaschte ich doch einen Blick auf ein kantiges, glattrasiertes Kinn und ein paar lange Locken echten braunen Haares.
    »Rachel«, sagte ich und winkte sie zum Fenster, »wer ist der Mann dort unten? Er spricht jetzt mit meinem Onkel.«
    Rachel kam und sah folgsam hinaus, wandte sich aber gleich wieder ab, die Wangen seltsam gerötet. »Das ist Evan Gilroy«, erklärte sie mir. »Er wohnt im Herrenhaus, beim Dorf.«
    »Er hat meine Truhe vom Dorfkrug heraufgebracht.«
    Mein Onkel, der aus der Küche getreten war, um den Mann zu begrüßen, schien nicht erfreut über diesen Gefallen zu sein. Indem ich mich auf die Zehenspitzen stellte und mich dicht an die Scheibe drängte, konnte ich die beiden Männer unter mir deutlich sehen. Das Gesicht meines Onkels sah düster und unfreundlich aus, und obwohl ich seine Worte nicht verstehen konnte, hörte ich, daß seine Stimme hart und barsch klang. Der Fremde gab etwas zur Antwort, und ich sah das Aufblitzen seines Lächelns, als er meine Truhe mit einem Schwung auf den Boden stellte, kehrt machte und mit demselben beschwingten, unbekümmerten Schritt zurück ins Dorf ging.
    Mein Onkel stierte ihm eine ganze Weile nach, murmelte dann etwas zu sich selbst und hob meine Truhe lässig auf eine Schulter, was mir seine ungeheure Größe und Kraft wieder vor Augen führte. Ich hörte die Küchentür unter mir zuschlagen und hob die Augen, bereit, vom Fenster wegzutreten, aber meine Aufmerksamkeit wurde von einem Schatten unter der riesigen Eiche in einer Senke am Rande des Feldes gefangengenommen. Ein Schatten, der sich bewegte und zu einem Mann wurde, einem dunklen Mann auf einem grauen Pferd, der kühn zu meinem Fenster hinaufstarrte.
    Während ich dort stand und hinaussah, veränderte sich die Landschaft

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