Mariannes Traenen
behalten.“
Schweigend reichte sie ihm ihren Bund und wartete darauf, daß er ihre Wagenschlüssel abgenommen hatte und sie ihr zurückgab.
„Damit wäre alles gesagt, was zu sagen ist.“ Er erhob sich und trat demonstrativ einen Schritt vom Tisch zurück. Kathrin und Rudolf taten es ihm nach.
Zögernd stand Svenja auf, blickte unsicher um sich, verwarf dann aber offenbar den Gedanken, jemand ihre Hand anbieten zu wollen. Sie nickte nur, ohne ihren Sohn oder Kathrin anzuschauen, und ging dann ebenso grußlos wie sie empfangen worden war.
Fürsorglich nahm Konrad seine Frau in den Arm.
„Es tut mir leid“, sagte sie zu ihm. „Nicht für Svenja“, beeilte sie sich. „Aber für dich tut es mir leid. Ich glaube, sie begreift gar nicht, was sie dir mit dem ganzen Dreck angetan hat.“
„Und was ist mit dir?“ Er sah sie erstaunt an.
„Ach Konny. Ich bin nicht aus Zucker. Und ich wurde ja auch nicht auf der Straße überfallen. Ja, es war schlimm. Und widerlich und eklig und einfach nur Scheiße. Du hast ja erlebt, wie fertig ich danach war. Aber ich denke, mich haben sie am Ende doch weniger verletzen können als dich.“ Sie stellte sich auf ihre Zehenspitzen und küßte ihn auf die Wange. „Ich habe sie nicht geliebt, die mir das angetan haben. Da konnten sie mich gar nicht so sehr verletzen. “
„Ich brauche dringend einen Whiskey“, sagte Konrad mit belegter Stimme. „Du auch?“ Er sah Rudolf an.
„Ich auch “, sagte Kathrin leise.
Rudolf schaute auf die Uhr. „Ja, den kann ich jetzt auch brauchen. Aber dann will ich zurück. Ich will Marianne ausgerechnet heute nicht so gerne allein lassen. Und außerdem erwarte ich Besuch.“
„Besuch?“, fragte Kathrin erstaunt.
Rudolf zwinkerte ihr zu. „Auch verdorbene Ware will ordentlich entsorgt werden “, sagte er nur. „Cheers!“ Er prostete den beiden zu, und alle lachten. Denn Kathrin mußte husten, weil der Whiskey stark war und sie ihn in einem Zug hinuntergestürzt hatte.
„Was fällt Ihnen ein, mich hierher zu zitieren? Niemand bestellt mich einfach irgendwo hin!“ Der Sektionsdirektor versuchte den autoritären Auftritt. Was aber schon daran scheiterte, daß Rudolf seelenruhig vor ihm auf dem Sessel saß, und über den anderen demonstrativ eine Reitgerte gelegt hatte.
„Du bist hier. Also kann ich es. Sei gefälligst etwas leiser.“ Rudolf sah ihn an ohne mit nur einer einzigen Regung zu verraten, was er dachte.
„Was fällt dir ein …“, röhrte der Sektionsdirektor los. Aber da hatte Rudolf schon lässig mit der Fernbedienung über die eigene Schulter hinweg das Abspielgerät gestartet. Ohne den Mann vor ihm auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen.
„Die Fotos hast du gesehen. Da hinten siehst du dich als Video-Aufzeichnung. Die gibt es auch mit Ton. Willst du mal hören?“ Er drückte einen Knopf auf der Fernbedienung.
„ …Und dann liefert ihr uns diesen Männern aus. Wie diesem Sektionsdirektor Schickl. Verdient er auch an uns?
„Nur wenn ihr verkauft werdet. Wenn wir Euch an irgendeinen Maghrebinischen Sklavenhändler verkaufen, an einen Hurentreiber in Rußland, oder ein Flatrate-Bordell der Deutschen. Dann wickelt er den Verkauf ab. Schickl ist unser Bankier!“
Ein Mann stöhnt. Ein Klatschen ist zu hören. Nochmaliges, sehr heftiges Aufstöhnen.
„Rühr ihn nicht an! Schlag mich. Ich ertrage alles. Bitte – tu ihm nichts !“, ruft ein Mann.
„Du würdest alles für ihn ertragen ?“, fragt eine Frau.
„Ja, das würde ich. Und anders als ihr Weiber bin ich stolz darauf, egal was er von mir verlangt.“
„Vermietet er dich auch?“, fragt die Frau.
„Natürlich tut er das. Ich bin sein Eigentum.“
„Der Sektionsdirektor Schickl verdient an der Restverwertung der Frauen. Und der Oberstaatsanwalt? Reitet das Frischfleisch zu und hält die schützende Hand einer blinden Justiz über euch?“
Man hört erneut ein Stöhnen.
„Lechner ist der Erstbeschäler. Ab und zu kauft er sich auch mal eine, nur für sich, um sie zu Hause in aller Ruhe fertig zu machen.“
„Bevor der Schickl sie verkauft.“
„Die kann man nicht mehr verkaufen, wenn der Lechner mit ihnen fertig ist. Wir bringen sie zurück und setzen sie aus.“
„ Ihr werft sie weg. Sie sind noch so jung. Hast du denn niemals Mitleid mit ihnen?“, fragt die Frau.
„Mitleid? Wieso sollte ich Mitleid mit ihnen haben …“
Mit einer Geste über seine Schulter hinweg stellt Rudolf den Ton wieder aus. „Wir sollten
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