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Mariannes Traenen

Mariannes Traenen

Titel: Mariannes Traenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas M.
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Inneren zu zerspringen drohte wie ein Gefäß aus Glas, in das man kochendes Wasser hineingegossen hatte. Wie widersprüchlich war das doch alles. Er trieb sie in die Unterwerfung, weil sie es selbst so gewollt hatte. Er stellte sie vor die unerhörte Alternative, sich zu erniedrigen oder sich zu ruinieren. Und half ihr dann, die Erniedrigung zu überleben, indem er sie lehrte, ihren inneren Widerstand dagegen aufzugeben und sich in ihre Rechtlosigkeit zu fügen. Er hatte sie gelehrt, das zu wollen, was sie verachtete, um sich selbst nicht verachten zu müssen. Er hatte sie geschlagen. Sie, die in ihrem Leben noch nie geschlagen worden war, noch nicht einmal als Kind. Und hatte sie damit vor den Schlägen einer Dilettantin gerettet, nur um sie auf eben deren Schläge vorzubereiten. Und die, die sie noch von anderen würde hinnehmen müssen. Er hatte sie benutzt, hatte sie auf egoistische Weise seiner Lust dienen lassen und sie dadurch gelehrt, sich nicht an sich selbst zu zerreiben, sondern ihren Peinigern fügsam alle Rechte zu gewähren als etwas, das ihnen in diesem Moment zustand.
    Und nun stand er da , bereitete ihr ein Omelett, richtete ein Glas Orangensaft für sie und filterte ihr sogar einen Kaffee, obwohl er selbst Kaffee verabscheute. Es war der Moment, als sie die Teekanne sah, der sie etwas spüren ließ, an das sie schon aufgehört hatte zu glauben. Eine heiße Woge des Glücks durchflutete sie, als sie die unscheinbare Kanne aus Edelstahl sah, und wie er darin den Frühstückstee aufbrühte. Seinen Tee . Eine schwarze Blechdose, von der er den Deckel herunterschraubte, ließ sie augenblicklich die Nacktheit ihrer Hüften spüren. Dabei war auf die Dose nicht mehr geschrieben als „ Twinings English Breakfast “. Offener, schwarzer, englischer Tee. Sein Tee . Keine Beutel, denn Teebeutel verabscheute er ebenso. Er hatte diese wenigen, doch für ihn so wichtigen Dinge in ihre Wohnung gebracht. Wortlos, ohne sie zu fragen. Und nun gebrauchte er sie, mit der üblichen Konzentriertheit seiner Bewegungen, um sich selbst Genuß zu bereiten. Während er für Marianne ein Frühstück richtete, gerade so wie sie es liebte.
    „ Frühstück! Kommst du?“, fragte er leise, ohne sie anzusehen, als er den Teller mit Ei auf ihren Platz stellte.
    Er half ihr in den Bademantel. Sie fand sogar ihre Birkenstock-Latschen neben dem Bett bereitstehen. Selbst daran hatte er gedacht. Schweigend ließ sie sich von ihm auf den Stuhl nötigen und machte sich sogleich über das Frühstück her, während er sich einen Tee eingoß. Es hatte etwas von einer Zeremonie, einem Ritus, wie er das tat. Zuerst zwei Fingerbreit Milch, dann den Tee darüber. Und bevor er den ersten Schluck nahm, schloß er die Augen und ließ kurz den Duft auf sich wirken. Sein Gesicht blieb dabei so ernst wie immer, nur auf seiner Stirn zeigte sich der kurze Frieden des Augenblicks. Eine Sekunde der Meditation, tief und vollkommen in sich versunken, so wirkte er in diesem Moment auf sie. Das Bild nahm sie gefangen. Wie verstand es dieser Mann, mit so wenigen Gesten auszudrücken, was er mit Worten nicht erklären wollte?
    Sie legte ihr Besteck ab. „Rudolf “, sagte sie leise, „ich … ich …“ Sie schluckte.
    Er setzte seine Tasse ab. „Du willst mich etwas fragen?“
    Marianne nickte. Und schüttelte gleich darauf den Kopf. „Ja … Nein … Es ist …“ Sie fand keine Worte.
    „Du möchtest mich um etwas bitten?“ Er sah sie an , ruhig, und prüfend.
    Sie schüttelte heftig den Kopf. „Nein, Rudolf, das nicht. Ich möchte dich bloß etwas fragen. Ich weiß nur nicht …“ Sie biß sich auf die Unterlippe. „Ich bin mir nicht sicher … ob ich … ob ich dich fragen … ob ich fragen sollte …“ Sie sah ihn an. „Ich weiß nicht, ob ich dich danach fragen darf.“
    Rudolf rührte sich nicht.
    „Rudolf, wenn ich dich bitten würde, so über mich zu verfügen … wie du es möchtest … ohne jede Rücksicht auf mich … mit allen Rechten – würdest du das tun wollen?“ Sie schlug verlegen den Blick zu Boden. „ Würdest du mich dann auch so benutzen wollen wie eine … wie eine … Sklavin?“
    „ Und würdest du mich auch … schlagen wollen?“, fügte sie kaum hörbar hinzu.
    Rudolf strich sich über den Bart und schwieg eine gute Minute lang. „Meinst du, so wie sie?“, fragte er schließlich. „So, wie die Herren, denen Svenja dich ausliefert?“
    Marianne zögerte, dann nickte sie.
    „Nein“, sagte Rudolf leise. „Nein,

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