Marie ... : Historischer Roman (German Edition)
Erbschaft gemacht hat, hätten sie gemeint: „Ja, natürlich. Wie schön für den Herrn Pfarrer und für dich.“
Ein rötlicher, fast unheimlicher Mond, den ein verschwommener Hof umgab, stand hoch oben am Himmel, als wir nach dem großen Geburtstagsdîner im Garten „lustwandelten“. Zum Entrée hatte es Flusskrebse mit Kräutern gegeben, rösches Weißbrot dazu, frisch aus dem Backrohr geholt. Schon am Tag zuvor hatte ich eine Stürzpastete aus Haselhühnerfleisch vorbereitet, die – wie ich wusste - gut für zehn Personen langen würde, ordentlich getrüffelt natürlich. Dazu reichte ich kleine, angebackene Kartoffeln, mit Speck umwickelte grüne Bohnen und zuckerglasierte Zwiebelchen. Zum Dessert gab es – vor allem Olives wegen – eine besondere Überraschung: eine „vierfarbige Grießspeise“, die Louise, ein rechtes Schleckermaul, seit Jahren vergeblich versuchte nachzukochen. Der Grieß wird dabei zuerst zu einem dicken, süßen Brei gekocht, dann in vier Teile geteilt. Den ersten Teil färbt man mit Eigelb, den zweiten mit Spinatmatte, den dritten mit Schokolade und den vierten – schön rot – mit Kochenillelösung. Dann zieht man das geschlagene Eiweiß unter die vier Portionen, streicht Farbe für Farbe auf vorbereitete Oblaten und setzt sie übereinander in eine tönerne, ausgebutterte Form. Nach dem Backen - es dauert ungefähr eineinhalb Stunden – stürzt man die Speise und serviert sie sogleich mit einer kühlen Vanillesauce. Wir tranken noch einen Cognac miteinander, dann verabschiedete sich Olive, die in dieser Nacht bei den Großeltern schlafen durfte. Ausgelassen nahm sie die beiden Alten bei der Hand, um mit ihnen hinüber in ihr Häuschen zu gehen.
Im Mondschein sah unsere Gartenanlage noch phantastischer aus als bei Tag. Juliette stieß ununterbrochen spitze Entzückungsschreie aus: „Sieh dir doch die Palmen und diesen herrlichen Springbrunnen an!“ und: „Ach, diese himmlische Terrasse – nein eigentlich ist es ja eine Galerie - so hoch oben neben dem Gewächshaus“; endlich: „Unfassbar, Monsieur le Curé! Ihr geheimnisvoller Turm glitzert ja wahrhaftig wie reines Silber. Fast möchte man meinen, die ´Weiße Frau` schwebe jeden Augenblick aus einem der Fenster heraus.“
Juliettes Begeisterungsausbrüche wurden nur durch das alberne Gelächter des Affen und das aufgeschreckte Gekreische der Vögel, an deren Käfigen wir vorbeiflanierten, unterbrochen. Der weiße Kies knirschte unter unseren Füßen, und die gleichfalls weißen Rosen rechts und links des Weges dufteten unwiderstehlich. Unwiderstehlich sah auch Bérenger aus, wie er in seinem anthrazitfarbenen, hochgeschlossenen Priesterrock aufrecht und stolz neben Juliette einherschritt. Mal war sein Gesicht im Dunkel der Nacht verborgen, dann ganz kurz vom Mondlicht angestrahlt oder vom Schein der Laterne durchglüht. Er war noch immer ein schöner Mann (nicht hübsch und drall, sondern männlich-elegant) und überaus charmant. Juliette hatte sich bei ihm eingehängt und konnte kein Auge von ihm lassen. Am Brunnen angekommen, zeigte er mit weitausholenden Gebärden auf sein Reich: „Madame Juliette, Sie sehen hier die gesamte Welt dargestellt.“ Er wies mit seiner Laterne auf das Wasserbecken, aus dem gerade fünf große Fontänen aufspritzten. „Das Wasser steht für das Meer, die Pflanzen ringsherum für die Erde und dort hinten, die Volieren mit den Vögeln - sie sind die Allegorie für die Luft.“
Juliette stieß ein halbersticktes „Oh“ hervor, was hätte sie in einem solchen Augenblick auch anderes sagen sollen.
Barthélémy nickte höflich. Ich hätte einiges gegeben, um seine Gedanken lesen zu können.
Nach einiger Zeit – Juliette musste sich unbedingt am Brunnen erfrischen - schlug Bérenger vor: „Setzen wir uns doch noch ein wenig auf die Terrasse. Es ist eine so schöne Nacht heute. Reden wir von vergangenen Zeiten.“
Ich hatte vorgesorgt und Henriette beauftragt, einen Korb mit Gläsern auf die Galerie zu stellen. Eine große Flasche Champagner in einem Eiskübel stand daneben.
Das nachtblau gefärbte Tal lag ruhig unter uns, friedlich und anheimelnd, wenngleich in den Weilern ringsherum noch vereinzelte Lichter flackerten.
Bérenger öffnete mit einem lauten Knall die Champagnerflasche, was wiederum ein hysterisches Kreischen des Affen zur Folge hatte. Wir lachten.
„Ich habe bemerkt, dass auch Orangen- und Zitronenbäume in Ihrem Gewächshaus stehen, Curé“, meinte Barthélémy mit
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