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Marie ... : Historischer Roman (German Edition)

Marie ... : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Marie ... : Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Luise Köppel
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erhalten. Die Reichen jedoch bezahlen für ihre Brut - und sei sie noch so dumm - einen eigenen Hauslehrer, oder sie schicken sie auf teure Eliteschulen. Ach, Marie, weißt du, auch in meiner Brust, in der Brust eines inzwischen reich gewordenen Priesters aus relativ armem Elternhaus, schlagen zwei Herzen.“
    Nachdenklich strich sich Bérenger übers Kinn. Dann aber leuchteten seine Augen wieder auf, und er fuhr fort, die Londoner Verhältnisse mit glühenden Worten zu schildern: „Wenn du nur dabei gewesen wärst, Marinette!“ - als ob ich jemals die Wahl gehabt hätte! - „An allen Ecken Drehorgelspieler, Jongleure, Bärendompteure! Und dieser herrliche Hyde Park! Von ihm hast du sicher schon gelesen. Ausgelassen tanzen und springen dort die Kinder herum, treiben ihre Reifen an auf den langen Sandwegen. Wir müssen im nächsten Jahr wieder einmal ein Kinderfest organisieren, mit Sackhüpfen, Wurstschnappen und ähnlichem. Unsere Kleinen kommen entschieden zu kurz hier heroben. Meinst du nicht auch, Marie?“
    Ich gab ihm recht.
    „Dort im Hyde Park“, fuhr er begeistert fort, „dort können die Kinder bei fliegenden Händlern Zuckerwaren, Limonade und Gewürzbrot kaufen. Die älteren Mädchen jedoch wollen davon nichts mehr wissen, sie eifern in jeder Hinsicht ihren Müttern nach. Geziert stolzieren sie einher, schauen hochnäsig auf ihre jüngeren Geschwister hinab und versuchen sich gegenseitig an Eleganz zu übertreffen. Wenn du ihre riesigen Hüte gesehen hättest, liebe Marie, du wärest vor Neid erblasst!“
    Ach, mein lieber Bérenger, dachte ich, meine neidischen Gefühle erstrecken sich auf weitaus Gefährlicheres.
    Ich lachte freundlich und war dennoch inwendig gespannt.
    „Ach, diese schöngeistigen Zirkel, wie man sie nennt, die Bälle und die Oper! Marie! Zweimal sind wir mit diesen seltsamen Omnibussen dorthin gefahren, die mit Dampfmaschinen angetrieben werden. Ich habe dir eine Ansichtskarte davon mitgebracht. Sieh nur!“
    Aufgekratzt kramte er in der Tasche seines Paletots. Ich besah mir das wunderliche Gefährt.
    „Man sagt, dass es allein in London über eine Million Bedienstete geben soll. Kannst du dir das vorstellen?“
    Bei diesen Worten besann er sich wohl wieder seiner eigenen Bediensteten und fing an, eine Bahn des veilchenblauen Stoffes über meine linke Schulter zu drapieren. Dann trat er einen Schritt zurück, um den Anblick auf sich wirken zu lassen.
    „Du wirst einfach bezaubernd aussehen damit, Marie! Sieh zu, dass du es rasch genäht bekommst. Im Juli haben wir Gäste. Wir wollen ein Fest feiern. Vergiss auch bitte nicht, den Rum zu bestellen, den aus Martinique, du weißt schon. Und den Champagner!“
    Ich nickte.
    London. Also doch. Ihr letzter Brief war von dort gekommen. Schöngeistige Zirkel, Bälle, Glücksspiel, zwei Herzen in seiner Brust ... Ich hatte mir vorgenommen, ihn nach seiner Rückkehr nicht zu provozieren, und so bedankte ich mich nur artig für die Geschenke.
    „Schon gut, Marinette – wo ist die Post?“ antwortete er und schon war er wieder auf dem Weg zum Turm.
    Es hatte sich nichts wirklich verändert.

    Im Juli, eine Woche vor dem Fest, drückte Bérenger mir die Gästeliste in die Hand, und so erfuhr ich eher beiläufig, dass sie kommen würde: Emma und einundzwanzig weitere Gäste. Wenigstens war ich auf die Dame vorbereitet. Ich beschloss jedoch zugleich, sie auf keinen Fall leiden zu können.
    Am Freitagabend, als die meisten Gäste bereits eingetroffen waren, wurde der Glockenstrang an der Tür der Villa Béthania derart heftig gezogen, dass man hätte meinen können, das ganze Dorf stünde in Flammen. Aber es war nur Emma Calvé, die vor der Tür stand. Der Droschkenkutscher, der sie heraufgebracht hatte, wartete auf Bezahlung, und diese extravagante Person mit Federboa um den Hals dachte nicht im Traum daran, ihre Börse zu zücken. Nein, dafür war natürlich das „Personal“ zuständig. Und das „Personal“ war ich.
    Auch wenn ich nicht den Briefverkehr der beiden mit Besorgnis beobachtet hätte, hätte ich an Bérengers Verhalten in den vergangenen Tagen gespürt, dass er aufgeregt war. Es war eine besondere Art von Erregung, die sich seiner bemächtigt hatte. Bérengers Augen hatten gestrahlt, er war nervös gewesen und zugleich außerordentlich bemüht, mich dies nicht merken zu lassen. Doch eine Frau spürt jede kleine Veränderung an dem Mann, den sie liebt.
    Emma war eine schöne Frau, das musste man ihr lassen. Ein wenig zu

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