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Marie ... : Historischer Roman (German Edition)

Marie ... : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Marie ... : Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Luise Köppel
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besah sich seine Fingernägel.
    Um neun Uhr vernahmen wir endlich Pferdegetrappel. Bérenger hastete zum Fenster. Gélis war vorgefahren. Mit ernstem Gesicht, die Brauen verwegen zusammengezogen, betrat der Priester die Küche.
    „Gelobt sei Jesus Christus!“
    „In Ewigkeit. Amen“, antworteten die anderen ungewohnt feierlich.
    Gélis nahm den Zylinder vom Kopf, stellte einen kleinen schwarzen Lederkoffer auf den Boden, wischte sich dann umständlich mit einem blütenweißen Taschentuch über sein fast kahles Haupt. Wie immer übersah er mich geflissentlich. Er hatte nun einmal diese hochnäsige Art.
    Kurz darauf machten sich die Priester auf den Weg zur Kirche. Mit einem Krug frischen Wassers lief ich den dreien hinterher. Den Wein und die Gläser hatte ich bereits hinübergetragen. An der Tür zur Geheimkammer nahm mir Bérenger den Krug ab. Er nickte kurz - sein rechtes Augenlid zuckte stark -, dann zog er hinter sich die schwere Doppeltür zu, und ich hörte, wie er inwendig sogar dreimal abschloss.
    Ich hielt das Ohr an die Tür und wartete einige Sekunden. Kein einziger Ton war zu hören.
    Rasch rannte ich um die Kirche herum, lief durch den Haupteingang an Asmodi vorbei und zwängte mich in den Sakristeischrank. Es war ziemlich unbequem dort drinnen – vor den Erfolg haben die Götter den Schweiß gesetzt , sagt Bérenger immer -, aber ich setzte das Hörrohr meiner guten Émilie an den Spalt und konnte in der Tat, wie ich es mir vorgestellt hatte, fast jedes Wort verstehen, das die Priester von sich gaben.

    Verstehen – akustisch wahrnehmen also und so ziemlich alles Gehörte im Gedächtnis speichern –, das gelang mir. Nur das Gesprochene in seiner letzten Konsequenz begreifen, das konnte ich seinerzeit nicht. Denn was da meinem Verstand zugemutet wurde, war von solcher Art, dass manch zartbesaitete Seele daran zugrunde gegangen wäre, und auch ich brauchte lange, um mit dem größten Geheimnis aller Zeiten halbwegs klarzukommen.
    Als ich später tief erschüttert aus dem Schrank stieg – ich hätte nicht sagen können, wie viel Zeit vergangen war -, war ich dennoch geistesgegenwärtig genug, um das beschädigte Holzbrett wieder in die Lücke zu klemmen und fast mechanisch Antoines alten Kram an seinen Platz zurückzuräumen. Dann floh ich geradezu aus der Kirche.
    Sodom und Gomorrha. Jetzt endlich verstand ich Asmodis Grinsen.

37
    „Erscheint vielleicht hier schauerlich
    der Todesbote schon, der Schattenreiche Werber ...?“
    Chénier , Jamben

    Bérenger hat mir meinen Schrecken nicht angemerkt. Er hat keine Veränderung an mir wahrgenommen, nicht an diesem Abend und nicht die Tage darauf, weil ihn selbst das Entsetzen nach Gélis Eröffnung gelähmt hatte.
    „Betet, Brüder, betet. Man wird uns Narren der Untreue bezichtigen!“ hatte es in der Geheimkammer geheißen. Boudet hatte diese Worte so leise gemurmelt, dass ich ihn kaum verstehen konnte.
    „Warum entsetzt ihr euch so? Hoffet und seine Freunde haben doch seit Jahren in diese Richtung geforscht! Wir alle wussten, worauf wir uns einließen“, hatte Gelis den beiden vorgehalten. „Macht mir jetzt keine Vorwürfe. Ihr wart es, ihr seid zu mir gekommen mit den Pergamenten. Und ihr habt mich auf die jahrhundertealte Geschichte aufmerksam gemacht, von der die Leute noch immer erzählen, nämlich, dass Maria Magdalena und Josef von Arimathäa mit einem Schiff hier gelandet sind.“
    „Ja, ja, aber Mutmaßungen und Legenden sind eine andere Sache als Beweise!“ Boudet klang jetzt aufgebracht. „Ich bin noch immer skeptisch, was die vier Wörter auf der Arcadia-Platte betrifft. Und wenn es sich tausendmal um zweiundzwanzig Buchstaben handelt, so lassen sie sich nicht in einen Zusammenhang bringen! Mit Réddis ist sicherlich das alte Rhedae gemeint – wie man früher zu Rennes-le-Château sagte -, da gebe ich euch recht, nicht etwa ´du gibst wieder`, wie wir zuerst meinten! Über Régis und Cèllis braucht man nicht zu streiten. Arx, Arcis - ´Anhöhe, Burg, Zuflucht` - hat jedoch eine andere Bedeutung als Arca - ´der Bogen`. Darüber haben wir aber schon mit Hoffet ...
    „ Arca bedeutet aber auch Sarg oder Kasten!“ hatte ihn Gélis ungeduldig unterbrochen. „Gut, grammatikalisch betrachtet, wird kein Satz daraus. Aber weiß man, ob die Wörter früher die gleiche Bedeutung hatten wie heute? Welche Beweise sucht ihr eigentlich noch immer? Was Hoffet auf den Pergamenten entdeckt hat, stimmt doch mit der Arcadia-Platte völlig

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