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Marie ... : Historischer Roman (German Edition)

Marie ... : Historischer Roman (German Edition)

Titel: Marie ... : Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Luise Köppel
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dachte, meinen Blick zu senken: „Marie, glotz mich nicht so an!“
    Da endlich wurde es sogar Bérenger zu bunt. „Emma, du solltest dich nun zur Ruhe begeben“, sagte er mit fester Stimme und versuchte, die Betrunkene hochzuziehen, die sich jedoch heftig und lautstark wehrte. Gélis zog den Kopf ein und drehte sich demonstrativ in die andere Richtung. Zu dem neben ihm stehenden Larzac sagte er halblaut: „ Glücklich leben die Zikaden, denn sie haben stumme Weiber. “
    Der Comte lachte auf. „Wer hat sich denn diesen Spruch ausgedacht?“
    „Xenarchos – und das bereits vor gut zweitausend Jahren!“
    „Gescheite Leute, diese alten Griechen, gescheite Leute ...“
    Doch Emma dachte nicht daran zu verstummen. „Aber Bérenger“, protestierte sie, „wenn sie mich doch anglotzt wie ein dummes Schaf – warum nimmst du sie noch in Schutz? Sie soll gefälligst in die Küche gehen, wo sie hingehört, die dämliche Kuh in ihrer seidenen Robe! Du hast dein Personal zu sehr verwöhnt! So etwas rächt sich immer. Sie soll“ - Emma bekam einen Schluckauf –, „sie soll mir noch eine Portion Sorbet holen, auf der Stelle! Los, geh schon, Marie. Lauf!“
    Ich drehte mich um und ging zu Bett.

    Am nächsten Morgen - eigentlich war es schon heller Tag, und die Vögel zwitscherten mit aller Macht - klopfte eine leicht derangierte Emma zaghaft an die Küchentür, und als ich sie einließ, bat sie mich tatsächlich um Verzeihung.
    „Der Alkohol – ich hätte es wissen müssen! Er hatte schon immer eine verheerende Wirkung auf mich. Es tut mir aufrichtig leid, Marie!“
    Ihr Hochmut war auf wundersame Weise über Nacht verschwunden. Ich vergab ihr. Allerdings fand dieses Gespräch unter vier Augen statt. Ob sie sich vor Zeugen auch gedemütigt und mich wie ihresgleichen behandelt hätte, kann bezweifelt werden.
    Im Grunde brauchen Frauen wie Emma kein Frauenwahlrecht. Was versprechen sich Schlossbesitzerinnen davon? Sie haben ihre Männer wie ihre Bediensteten am Fädchen, lassen sie nach Bedarf tanzen und springen, setzen ihren Willen überall und auf jede Weise durch. Dennoch, auch wenn in jeder Frau eine Rebellin stecken würde, werden es wohl nicht die einfachen Frauen sein, die irgendwann eine Veränderung herbeiführen, sondern solche wie Emma, reich, selbstbewusst, mutig, gebildet und wortgewandt. Denn nur sie verfügen über die nötigen Mittel und Beziehungen, um für uns einfachen Frauen zu streiten. Werden sie es aber wollen?

    Auch Bérenger war zerknirscht. Er nahm mich heimlich in den Arm und bat mich um Verzeihung, schob allerdings - Emma gleich - ihr schlechtes Benehmen auf den ihr „völlig ungewohnten Champagner“ (wie konnte er ihr so ungewohnt sein, wenn sie von seiner verheerenden Wirkung auf ihre Person wusste?) und zeigte mir ihre morgige Abreise an.
    Damit wäre wohl das Kapitel Emma ein für allemal erledigt, dachte ich erleichtert. Bérenger sollte nun ihren wahren Charakter erkannt haben und zukünftig die Finger von dem Weib lassen und Saphirringe im Schaufenster der Pariser Juweliere.
    Welch ein Trugschluss!

36
    „Flieht, all ihr Loths, vor Sodoms und Gomorrhas Flammen!“
    Agrippe d`Aubigné , Que les bon fuient la cour

    Wenn ich mir eingebildet hatte, dass die Priester ihre Suche nach dem Geheimnis von Rennes-le-Château inzwischen aufgegeben hätten, so wurde ich auch hier bald eines Besseren belehrt.
    Drei Wochen nach Emmas Abreise – wir saßen gerade am Frühstückstisch - traf unverhofft Boudet ein. Beim Eintreten nickte er dem überraschten Bérenger wortlos zu. Kein frommer Gruß wie unter Priestern üblich, sondern nur ein einvernehmlicher kurzer Blickkontakt – und die beiden schlossen sich in die geheime Kammer ein, die sich neben der Sakristei befand, und bis auf einen kleinen Tisch und einige Stühle, unmöbliert war.
    Ganze vier Stunden redeten sie dort miteinander. Als sie in die Küche zurückkamen, verschlang Boudet die Pastete, die ich vorbereitet hatte, fast alleine. Bérenger hingegen stocherte lustlos auf seinem Teller herum, dafür trank er um so mehr Wein. Gesprochen wurde kaum bei Tisch und wenn, dann nur kurz und über Belangloses. Nach dem Dankgebet saß Boudet stumm in Bérengers Lehnstuhl, und es dauerte nicht lange, bis er leise anfing zu schnarchen. Bérenger kauerte auf der Ofenbank. Mit der Rechten hielt er den Hals der beinahe leergetrunkenen Bordeauxflasche umklammert. Gedankenverloren stierte er auf das Etikett. Seine langen Beine hatte er

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