Marie ... : Historischer Roman (German Edition)
liebe Emma: ohne Boudet hätte ich mich niemals auf die Suche gemacht!“
„Und wir beide hätten uns nie kennengelernt!“ hatte Emma geseufzt und ihn liebevoll angelächelt.
Als ich das Stickgarn aufwickelte, die Nadeln und Röllchen in die Schachtel einsortierte, um schlafen zu gehen, dachte ich, dass Bérenger für Boudet nicht nur ein Freund, sondern vor allem eine Figur in seinem großen Schachspiel gewesen war, einem gefährlichen Spiel allerdings, aus dem für zwei weitere Figuren blutiger Ernst geworden war.
Doch auf welches Spiel gedachte sich Bérenger mit Emma einzulassen?
Dem Himmel sei Dank – es kam die Zeit, da es der Sängerin langweilig wurde bei uns. Sie begann, Félix für ihre Zwecke einzuspannen, der nicht eingezogen worden war, weil er ein schwaches Herz hat. Der junge Mann musste sie mit Bérengers Einspänner geschwind nach Couiza, dann nach Esperaza und einmal sogar nach Limoux fahren, um ihr den Besuch beim Coiffeur und bei einer exzellenten Schneiderin (wen kannst du mir auf dem Land empfehlen, Marie?) zu ermöglichen. Es dauerte nicht lange, und sie hatte – trotz ihres inzwischen fortgeschrittenen Alters - erneut ein Herz im Sturm erobert: Félix las ihr alle Wünsche von den Lippen ab – und mir warf sie ihre Schmutzwäsche vor die Füße. So konnte es nicht weitergehen.
Schließlich fasste ich mir ein Herz. Kaum waren Emma und Félix wieder einmal unterwegs, stieg ich schnurstracks hinauf zu Bérenger. Ich ersparte mir das Anklopfen – dass Emma auf seinem Schoß saß, war ja im Augenblick nicht zu befürchten – und trat ein.
„Nanu, Marie, was führt dich zu dieser Stunde zu mir?“
„Ich will von dir jetzt und auf der Stelle wissen, wie es weitergehen soll“, sagte ich ganz ruhig.
„Was meinst du damit – wie es weitergehen soll?“ fragte er, offenbar um Zeit zu gewinnen. Bérenger hatte eine überaus reservierte Miene aufgesetzt, so dass man hätte meinen können, einen gänzlich Fremden vor sich zu haben. Ich bemerkte allerdings, dass seine buschigen Brauen fast unmerklich zitterten. So völlig unbeeindruckt von meiner Seelenqual war er also doch nicht.
„Du weißt ganz genau, was ich damit meine“, rief ich jetzt voller Verzweiflung. „Wann gedenkt sie abzureisen, die Amsel? Oder erwartest du, dass ich den Platz für sie endgültig freimache?“
Ich hatte mich so in Rage geredet, dass mir beinahe die Luft wegblieb. Weil aber Bérenger nur stumm herumstand, unternahm ich einen neuerlichen Angriff.
„Ich halte es nicht länger aus, euch ständig beieinander sitzen zu sehen, zu hören, wie ihr miteinander redet und lacht“, flehte ich. „Das schmerzt bis zum Äußersten dessen, was ein Mensch aushalten kann. Zwei Geliebte unter einem Dach, das geht einfach nicht, Hochwürden! Du wirst dich entscheiden müssen. Ich bestehe darauf. Entweder sie oder ich.“
Bérenger war blass geworden, schwieg aber beharrlich weiter. Dabei biss er sich fast die Unterlippe durch. Er vermied jeglichen Blickkontakt mit mir, sah vielmehr an mir vorbei, zum Bücherregal hinauf, wo sich ein großes Spinnennetz ausbreitete, wie ich jetzt bemerkte. Die fette schwarze Spinne hing in der Mitte des Netzes und bewegte sich nicht. Geduldig wartete sie auf ein Opfer.
Meine Geduld jedoch war am Ende. Mein Herz schlug heftig, und ich glühte fast vor Wut über Bérengers Ignoranz. Hatte er angenommen, dass ich mich klaglos fügen würde und Emmas Anwesenheit für immer und ewig akzeptierte? Dass ich für die Frau, die im Begriff war, mir meinen Geliebten wegzunehmen, auch noch die Dreckarbeit verrichtete? Nein, ich hatte vor, um mein ungeschriebenes Recht, mit Bérenger alt zu werden, zu kämpfen.
Noch immer sagte er kein Wort. Er stand unbeweglich neben dem Fenster und starrte auf die Spinne.
„Schweig nur weiter, du Feigling!“ brach es aus mir heraus. „O ja! Eines aber kann ich dir versichern, mein Lieber. Wenn ihr beiden mich soweit treibt, dass ich meine sieben Sachen packe und weggehe, dann komme ich nicht wieder! Niemals kehre ich zu dir zurück! Dann ist unsere Beziehung endgültig aus. Dann verkaufe ich alles, was ich in Rennes-le-Château besitze.“
Plötzlich kam Leben in ihn. Plötzlich wusste Bérenger wieder, was er zu tun hatte. Er kam auf mich zu, um mich in die Arme zu nehmen. Ich wich zurück. Doch seine muskulösen Arme hielten mich fest:
„Marie, Marie – was bist du eifersüchtig! Ich versichere dir, du hast überhaupt keinen Grund dazu. In meinem
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