Marie ... : Historischer Roman (German Edition)
Herzen bist du zu Hause, du und nicht Emma! Warum glaubst du mir das nicht! Es ist alles ganz harmlos. Emma und ich, wir sind nur gute Freunde.“
„Harmlos, ha! Gute Freunde, sagst du? Wie soll ich dir das abnehmen, wenn du Tag und Nacht mit ihr zusammenhängst. Ihr redet doch nicht immerzu nur über diesen elenden Krieg, oder? Nein, nein, lüg mich nicht an“, schluchzte ich und versuchte mich noch immer seiner Umarmung zu entziehen. „Ihr treibt sicher noch ganz andere Dinge miteinander. Obendrein sprichst du mit ihr auch über das ´Geheimnis`, nicht wahr – gib es ruhig zu – während du mich, natürlich aus Rücksicht auf meinen Seelenzustand, bis heute im ungewissen darüber gelassen hast. Nennst du das vielleicht Liebe? Du hast zu ihr zehnmal mehr Vertrauen als zu mir. Was hat sie, das ich nicht habe?“
„Marie, jetzt beruhige dich erst einmal!“ Bérenger strich mir mit der Rechten über das Haar. Daraufhin geschah etwas, was nicht hätte geschehen dürfen.
„Ich will mich nicht beruhigen“, schrie ich trotzig und stieß ihn von mir. „Glaub nur nicht, dass ich so dumm bin, wie ich vielleicht ausschaue! Mir ist seit Jahren bekannt, wessen Gebeine sich seinerzeit im Grab der Freifrau befanden! Ich kenne euer verdammtes Geheimnis um die Spinne. Und es ist die längste Zeit eines gewesen, das kann ich dir versichern!“
Bérenger war kreidebleich geworden.
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„Es glüht zu dieser höhnisch roten Stunde
in Trägheit alles ...“
Stéphane Mallarmé , L`après-midi d´un faune
„Was hast du soeben gesagt, Unselige?“ Ganz weiß im Gesicht, war Bérenger zurückgewichen und hatte mit einer fahrigen Bewegung einen Aktenstapel zu Boden gerissen. Die Blätter segelten auf die handbemalten Fliesen. Doch Bérenger nahm das Missgeschick nicht zur Kenntnis. Mit stechendem Blick sah er mich an. Ich erschrak heftig. War ich zu weit gegangen? Hatte ich soeben den letzten Rest seiner Zuneigung verspielt? Doch was konnte ich schon verlieren, was ich nicht bereits verloren hatte? Er jedoch hätte allerhand zu verlieren, wenn ich ginge.
Dennoch warf ich verzweifelt alles in die Waagschale, was ich noch aufzubieten hatte an diesem Morgen.
„Für wie dumm haltet ihr mich überhaupt?“ sagte ich, und obwohl ich fühlte, wie meine Lippen zu zittern begannen, hielt ich unbeirrt seinem harten Blick stand. „Du, deine Emma und die neunmalkluge Pariser Bande.“
„Wie hast du davon erfahren?“ stieß er hervor.
„Ich kann eben zwei und zwei zusammenzählen, mein lieber Freund“, entgegnete ich wenig demütig, obwohl ich im Herzen meine Offenbarung längst bereute. Ich bemerkte, wie ihm der Schweiß die Schläfen hinabrann. Plötzlich legte er seine rechte Hand auf sein Herz und atmete ein paar Mal tief ein und aus.
„Bluffst du nur, Marie, oder weißt du es wirklich?“ fragte er dann ruhig.
Ich lachte höhnisch auf. „Von wegen bluffen. Ich weiß alles. Jedes Detail.“
„Aber weshalb hast du mit mir nie darüber gesprochen? Warum hast du es in dich hineingefressen, all die Jahre? Ich hätte dir in wenigen Worten erklären können, wie es sich in Wirklichkeit verhält, denn es ist beileibe nicht so weltbewegend, wie es für dich als Laien aussehen muss, meine Liebe“, sagte er nun fast begütigend.
Mich beschlich das ungute Gefühl, dass Bérenger mit seinem Beschwichtigungsversuch sowohl unserer Auseinandersetzung als auch dem Punkt, um den es sich drehte, die Schärfe nehmen wollte. Noch immer kalkweiß im Gesicht, schritt er auf mich zu. Seine rechte Schläfe klopfte auffällig. Ein wenig unbeholfen versuchte er, mir eine einzelne Haarsträhne aus der Stirn zu streichen, die sich in der Aufregung gelöst hatte. Doch ich drehte rasch mein Gesicht zur Seite.
„Wie es sich in Wirklichkeit verhält? Dass ich nicht lache! Du hättest für mich doch nur eine weitere nette Geschichte parat gehabt, mir vielleicht erzählt, dass der Diamant im Meer versenkt werden musste, weil sich in ganz Frankreich nicht genügend Glas auftreiben ließe, um ihn für alle Zeit an Land zu verstecken, oder?“ antwortete ich zynisch. „Und wenn es tatsächlich viel harmloser ist, wie du jetzt sagst, weshalb habt ihr dann überhaupt so ein furchtbares Geheimnis daraus gemacht? Weshalb mussten Gélis und Didier dann sterben?“
Als ich mich umwandte, um den Turm zu verlassen, kam er mir zuvor. Er drehte den Schlüssel um und steckte ihn in seine Joppe.
„Mit wem hast du über die Angelegenheit geredet? Sag es
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